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Fragen und Antworten

Schriftliche Frage Nr. 441

23. Mai 2024 – Frage von D. Stiel an Herrn Minister Antoniadis zur Anwerbung von Pflegekräften aus Indien

Wie viele Fachkräfte sollen in Indien angeworben werden ?

Die nachfolgend veröffentlichte Frage und die Antwort entsprechen den hinterlegten Originalfassungen. Die endgültige Version ist im Bulletin für Interpellationen und Fragen (BIF) veröffentlicht. 

Frage von Diana Stiel (Vivant) vom 9. April 2024:

Die St.Vither Klinik St.Josef will gezielt Pflegekräfte aus dem Ausland kommen lassen, so berichtet der BRF am 04.02.2024.2 Das flämische „Projekt Aurora“ biete die Vorlage um das Personal spezifisch in Indien anzuwerben. Dazu gehöre auch eine Schulung, die Kultur, Sprache und Technik beinhalte. Das Projekt betreffe den ganzen Pflegesektor in Ostbelgien. 
Der ärztliche Direktor, Dr. Paul Pardon, habe dieses Projekt der DG-Regierung vorgestellt, es solle in der Deutschsprachigen Gemeinschaft angewendet werden. 

Im flämischen Parlament wurde kürzlich diesbezüglich eine Frage gestellt, Ministerin Crivits bemerkte darin, dass man vermeiden muss, Gesundheitspersonal zu rekrutieren in Ländern, die selbst unter einem Fachkräftemangel leiden oder zu leiden drohen. 
Es kommen ausländische Fachkräfte nach Flandern, durch die Familienzusammenführung komme der Partner nach. Wenn dieser allerdings nicht auf die gleiche Art und Weise unterstützt werde, passiere es oft, dass die Familie wieder ins Herkunftsland zurückkehre. 

Es gebe in Flandern eine nicht-berufsaktive Arbeitsreserve von 800.000 Personen. 
Während des sechsten Flämischen sektoriellen Abkommens (Vlaams intersectoraal akkoord (VIA 6)) sei vereinbart worden, dass in den Bereichen Unterrichtswesen die ausländischen Diplome gleichgestellt werden, um so den Zustrom im Gesundheitssektor zu maximieren. 
Wo es möglich ist, solle der Zugang zu verkürzter Ausbildungen vereinfacht werden. Für die Ministerin ist es eine Priorität, geschultes Personal in allen Bereichen der Gesundheitssorge zu haben. 
In der Antwort wird die Sprache angesprochen, die Ministerin Hilde Crivits für extrem wichtig hält, vor allem in der Gesundheitssorge. 
Laut Ministerin ist eine Familienzusammenfügung nur möglich, wenn sichergestellt ist, dass der Arbeitsmigrant in der Lage ist, seine Familie in Belgien ernähren zu können. 
Die Gründe für die Rückkehr ins Ursprungsland seien divers. Sie glaubt nicht, dass es an einem schlechten Einbürgerungsangebot liegt. Ihrer Meinung nach ist das eine Eigenheit der Arbeitsmigration. 
Freya Saeys (Open VLD) glaubt, dass im Jahr 2040 in Flandern 50.000 Fachkräfte im Gesundheitssektor fehlen werden. 
Koen Daniëls (NVA) ist der Meinung, dass man die Menschen wieder zum Arbeiten bringen muss. Die Beschäftigungsquote solle maximisiert werden. 
Er befürchtet Menschenhandel. Es könne sein, dass da einige Organisationen im Ausland tolle Geschichten über Flandern erzählen, dass dadurch aber Menschen zu Opfern werden. 
Die NVA habe daher eine zurückhaltende Position. 
Er hebt außerdem die ungleiche Behandlung hervor zwischen den Pflegekräften in privaten und staatlich betriebenen Pflegeheimen (cheque repas, e-bike-leasing). 
Er stellt die Frage, wie man es angehen kann, beide gleich zu behandeln. 

Laut Aussage eines indischen Pflegers, der inzwischen in Flandern arbeitet, wurden sein Sprachunterricht und seine Ausbildung zum Krankenpfleger bezahlt, auch wurde ihm bei der Wohnungssuche geholfen, das geht aus einem Presseartikel hervor.

Schon bevor Aurora aktiv wurde, gab es in Belgien rund 200 indische Arbeitskräfte in flämischen Pflegeheimen. 
Aus einem flämischen Presseartikel geht hervor, dass es in Kerala unterdessen schwierig ist, Pflegekräfte zu finden, was auf die Auswanderung der frisch ausgebildeten Pflegekräfte zurückzuführen ist. 
Aurora habe eigentlich die Zahlen noch erhöhen wollen, da es aber jetzt offensichtlich zu einem Mangel an Pflegekräften in Indien komme, habe man sich anders entschlossen. 
Aurora arbeite ethisch: man stecke für jeden Pfleger, der angeworben wird, Geld in die örtliche Gesundheitssorge. Mit diesem Geld habe ein Partnerkrankenhaus in Indien seine Geriaterie- und Psychiatrieabteilung renovieren können. 
Mit jedem indischen Pfleger, der Indien verlässt, steige der Arbeitsdruck der dort verbliebenen Pfleger, darum ziehe es diese ebenfalls ins Ausland. 
Zudem heißt es, dass die belgischen Gehälter der Pflegekräfte nicht mit den britischen, kanadischen oder denen der Golfstaaten konkurrieren können. 
Wir haben uns etwas näher mit diesem Thema befasst und dabei festgestellt, dass es eine ganze Menge Länder gibt, die sich ihre Pflegekräfte jetzt in Indien, genauer gesagt im Bundesstaat Kerala, suchen. 
Darunter ist auch Deutschland. Zwischen 2013 und 2020 seien mehr als 5700 ausgebildete Pflegekräfte aus Indien nach Deutschland umgesiedelt. Die Kosten für die Ausbildung belaufen sich auf 7000 Euro pro Person und werden laut Tagesschau vom Arbeitgeber übernommen. Ein sechsmonatiger Deutschunterricht finde in Indien statt. 
2035 werden in Deutschland voraussichtlich 7 Mio. Pflegekräfte fehlen. 
Es gebe allerdings Bedingungen, die für die Einreise zu erfüllen seien. So gebe es in Deutschland schon seit 2012 die so genannte Blaue Karten EU: es handele sich dabei um eine Aufenthaltsgenehmigung für Menschen aus dem Nicht-EU-Ausland, die einen Hochschulabschluss haben. 
Die Mindestgehaltsgrenze habe früher bei 58.400 Euro brutto gelegen, sei aber auf 43.800 Euro herabgesetzt worden. Der damit verfolgte Zweck liege in der Kapazität, seine Familie zu versorgen, denn ein Familiennachzug für Ehepartner, Kinder, Eltern und Schwiegereltern ist schon vorgesehen. 
In Zukunft solle außerdem ein Punktesystem darüber entscheiden, wer in Deutschland als Fachkraft einwandern darf. 

Um die Einwanderung zu erleichtern habe die Bundesregierung Ende 2022 mit der Regierung in Neu-Delhi ein Migrationsabkommen unterzeichnet. 
Ein von der indischen Regierung herausgegebener Bericht bestätigt die Tatsache, dass Indien selbst unter einem Fachkräftemangel in der Gesundheitssorge leidet. Es gibt hier pro 10.000 Einwohner nur 24,5 Pflegekräfte, die WHO empfiehlt jedoch 34,5. Dem Bericht zufolge fehlten dem Land im Jahr 2020 1,37 Millionen Pfleger und Hebammen. Die empfohlene Quote kann aber erst im Jahr 2040 erreicht werden.

Zudem wird erwartet, dass im Jahr 2050 im Land 300 Millionen indische Senioren leben werden, was eine erneute Last des Gesundheitssystems darstellen wird, zumal die Pflegekräfte ins Ausland abwandern. 
Schon im meiner Haushaltsrede vor einigen Wochen habe ich auf die möglichen fatalen Folgen einer Abwerbung im Ausland hingewiesen mit dem Beispiel aus dem Libanon. 
Das Team der Sendung „Investigations“ musste feststellen, dass die Abwerbung der Pflegekräfte dort dramatische Folgen hat. Im Krankenhaus Hôtel-Dieu de France, einem der größten und renommiertesten Krankenhäuser des Landes, habe man 100 Betten schließen müssen, als direkte Folge des Abgangs von 133 von 500 Krankenschwestern ins Ausland. Die gesamte pädiatrische Intensivstation sei jetzt geschlossen.

Die Vivant Fraktion spricht sich ausdrücklich gegen Brain-Drain aus. Die Talentabwanderung oder Talentflucht ist die teilweise Abwanderung des Humankapitals einer Gesellschaft. Die Emigration ausgebildeter Menschen aus einem Land bedeutet aber für das gebende Land volkswirtschaftliche Verluste, wohingegen das aufnehmende Land von Talentzuwanderung profitiert. 

Man könnte auch sagen, des einen Freud' ist des anderen Leid. 
Des weiteren sollte der erste Schritt darin bestehen, die Beschäftigungsquote zu maximieren und die 2304 Vollzeit-Arbeitslosen (Stand Dezember 2023) wieder in Arbeit zu bringen. Hier ist noch Potential! 

Meine Fragen an Sie: 
1. Wie viele Fachkräfte sollen in Indien angeworben werden ? 
2. Wie würde das Projekt in der Praxis umgesetzt (Standort der Ausbildung, Sprache erlernen, Wohnungssuche)? 
3. Wie würde die Finanzierung dieses Projektes aussehen bzw. gibt es schon Kostenschätzungen? 
4. Hat man sich bei der Planung Gedanken über den durch die Abwerbung von Pflegern noch verschärften Fachkräftemangel in Indien gemacht?


Antwort von Antonios Antoniadis (SP), Minister für Gesundheit und Soziales:

Der sich zuspitzende Fachkräftemangel gehört zu den größten und kritischsten Herausforderungen für den Standort Ostbelgien. Dies gilt insbesondere für den Gesundheits- und Pflegesektor. 
Aufgrund des demografischen Wandels wird die Deutschsprachige Gemeinschaft die absehbaren qualifizierten Personalbedarfe in den kommenden Jahren nicht mehr aus eigener Kraft stemmen können. Wir werden auf Zuwanderung angewiesen sein, um die hochwertigen hiesigen Dienstleistungen langfristig aufrechterhalten zu können. 
Ein wichtiges Instrument ist in diesem Zusammenhang das Standortmarketing Ostbelgien, das den Standort bei Arbeitskräften und Investoren attraktiv machen soll. Ähnliches gilt für die abgeschlossenen und geplanten Kooperationen mit Hochschulen in Belgien und dem benachbarten Ausland. 
Ferner machten uns Vertreter des Gesundheitssektors auf das flämische Projekt AURORA aufmerksam, welches die Akquirierung ausländischer Fachkräfte im Gesundheits- und Pflegebereich behandelt. In diesem Zusammenhang kann die Deutschsprachige Gemeinschaft ihre innerbelgischen Partnerschaften nutzen, um von wertvollen bestehenden Erfahrungswerten zu lernen und diese auf Ostbelgien herunterzubrechen.

1.) Ein Erstgespräch zwischen der Regierung und den Projektautoren der Organisation Exalta fand am 6. Februar 2024 statt. 
Die tatsächlichen Bedarfe der hiesigen Einrichtungen werden daraufhin derzeit innerhalb einer Arbeitsgruppe unter Mitwirken von Vertretern der Organisation Exalta, der Regierungskabinette, der Autonomen Hochschule, des Pflegesektors und der Krankenhäuser ermittelt. 
Es wird derzeit von einem Gesamtbedarf in Höhe von rund 20 Pflegekräften ausgegangen. 
2.) Die praktischen Modalitäten sollen im Rahmen der oben beschriebenen Arbeitsgruppe festgelegt werden. 
3.) Kostenerwägungen werden abhängig von den festgestellten tatsächlichen Bedarfen und hiermit einhergehenden praktischen Modalitäten sein. 
4.) Die derzeit in einer frühen Sondierungsphase befindlichen Arbeiten hin zur tatsächlichen Gewinnung von Fachkräften über das flämische AURORA-Projekt umfassen bedarfsbezogene, finanzielle, organisatorische und auch ethische Aspekte. Es muss in jedem Fall sichergestellt sein, dass die Anwerbung entsprechender Arbeitskräfte nicht mit wesentlichen negativen Auswirkungen für deren Heimat-regionen einhergeht.

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