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Fragen und Antworten

Mündliche Frage Nr. 1653

15. April 2024 – Frage von P. Spies an Ministerpräsident Paasch zum politischen Engagement auf kommunaler Ebene

Inwiefern kann die Deutschsprachige Gemeinschaft das politische Engagement auf kommunaler Ebene aufwerten?

Die nachfolgend veröffentlichte Frage und die Antwort entsprechen den hinterlegten Originalfassungen. Die endgültige Version ist im Bulletin für Interpellationen und Fragen (BIF) veröffentlicht. 
 
Frage von Patrick Spies (SP): 
 
Bekanntlich haben wir in Belgien in diesem Jahr ein sogenanntes Superwahljahr. Am 9. Juni finden bei uns die Wahlen für das Parlament der Deutschsprachigen Gemeinschaft, das Parlament der Wallonischen Region, die Abgeordnetenkammer sowie für das Europäische Parlament statt.
 
Am 13. Oktober werden die Bürgerinnen und Bürger wieder zu den Wahlurnen gebeten, da dann die Gemeinderatswahlen sowie die Provinzialratswahlen stattfinden.
 
Bei all diesen Wahlen steht außer Frage, dass unsere Kommunen die politische Ebene darstellen, die dem Bürger im politischen und verwaltungsmäßigen Aufbau des Staates am nächsten sind. Wer sich demnach auf kommunaler Ebene engagiert, kann auf lokaler Ebene ganz konkret Einfluss nehmen und an Entscheidungen teilhaben, die den Alltag unmittelbar beeinflussen. 
 
Im Hinblick auf die Kommunalwahlen im Herbst lässt sich jedoch absehen, dass es in einigen Gemeinden durchaus immer schwieriger wird, Menschen zu finden, die sich auf dieser Ebene noch politisch engagieren wollen. 
 
Dies kann dann durchaus zur Folge haben, dass es in einigen Gemeinden so gerade noch eine Liste geben wird und die Bürgerinnen und Bürger im Endeffekt nicht wirklich die Wahl zwischen zwei „Programmen“ haben.
 
Vor dem Hintergrund der Autonomieerweiterung der Deutschsprachigen Gemeinschaft und der fundamentalen Bedeutung der Gemeinden in diesem Prozess sowie mit Hinblick auf die Wahlen im Oktober möchte ich Ihnen als Ministerpräsident daher folgende Fragen stellen:
1. Inwiefern kann die Deutschsprachige Gemeinschaft das politische Engagement auf kommunaler Ebene aufwerten?
2. Welche neuen Instrumente und Möglichkeiten gibt es in Hinblick auf die Mitbestimmung auf kommunaler Ebene?
3. Inwiefern bedroht das schwindende politische Engagement auf kommunaler Ebene die Bestrebungen nach einem weiteren Autonomieausbau?
 
 
Antwort von Oliver Paasch (ProDG), Ministerpräsident:
 
Die kommunale Politikebene gilt seit jeher als Wiege der Demokratie. 
 
Über 30.000 Menschen engagieren sich hierzulande in den rund 450 anerkannten Vereinen in Kultur, Sport und vielen weiteren Bereichen. 
In diesem Zusammenhang gewährt die Regierung den Gemeinden jährlich Dotationen zur Auszahlung von Vereinssubventionen; im Jahr 2024 waren es immerhin 629.000 Euro.
 
Mit oder ohne politisches Mandat prägt der Einsatz all dieser Menschen die Lebensqualität vor Ort anhand besonders bürgernaher und greifbarer Projekte. Zur Stärkung der lokalen Behörden hat die Regierung beispielsweise ein Abkommen mit dem Städte- und Gemeindeverband der Wallonie (UVCW) abgeschlossen. Alle deutschsprachigen Gemeinden können seither auf ein deutschsprachiges Beratungsangebot des Verbands zurückgreifen. 
 
Um die Arbeit in den Gemeinden zu verbessern, haben wir in dieser Legislaturperiode unsere Zuwendungen an die Gemeinden um knapp 25 % erhöht. 
Um die Handlungsfähigkeit der Gemeinden zu vergrößern, haben wir die Straßenbaudotationen sogar um 33 % angehoben. 
Um die konkrete Bürgerbeteiligung auf kommunaler Ebene zu vereinfachen, wurde dem Parlament zudem mittlerweile ein Dekretvorschlag unterbreitet, der die Einführung einer Dotation zur Finanzierung von lokalen Beteiligungsprojekten umfasst. 
 
Dieses Instrument wird die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern im Rahmen niederschwelliger Dorf- und Viertelsprojekte fördern. Bereits vorab standen den Bürgerinnen und Bürgern im Rahmen von Leader-Projekten, Lokalen Aktionsgruppen (LAG), der ländlichen Entwicklung oder den kommunalen Beratungsausschüssen vielfältige Beteiligungsforen zur Verfügung. 
 
Solche Formate tragen aus unserer Sicht dazu bei, öffentliche Dienstleistungen und Institutionen näher an den Bürger heranzutragen. 
Ernstgemeinte Mitbestimmungsmöglichkeiten stärken das Selbstwirksamkeitsgefühl. Das ehrenamtliche Engagement ist in unserer Gemeinschaft überdurchschnittlich hoch. 
 
Die stetig erweiterten Bürgerbeteiligungsmöglichkeiten werden rege in Anspruch genommen. Das haben wir auch bei der Vorbereitung des neuen REK erlebt. All das ist politisches Engagement im weitesten und besten Sinne des Begriffs. Und doch teile ich die Sorgen unseres Kollegen Spies. 
 
Der Schritt vom ehrenamtlichen Einsatz für einen Verein hin zu einer Kandidatur für ein politisches Amt fällt vielen Menschen schwer. 
 
Warum dem so ist und was man dagegen tun kann, lässt sich nicht in 3 Minuten beantworten. Fest steht aber, dass wir ein großes Interesse daran haben, Menschen für ein Engagement auf allen politischen Entscheidungsebenen zu bewegen.
Demokratie lebt vom Engagement der Menschen, denen sie zu dienen hat.
 
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