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Fragen und Antworten

Schriftliche Frage Nr. 425

26. März 2024 – Frage von D. Stiel an Frau Ministerin Weykmans zum Sozialbetrieb „Die Alternative VoG”

Die DG zählte Ende Dezember 2023 2304 Vollzeitarbeitslose, wovon 41 % niedrig- qualifiziert sind, d.h. keine besondere berufliche Qualifikation vorweisen können – was für die Arbeit als Haushaltshilfe auch nicht benötigt wird).

Die nachfolgend veröffentlichte Frage und die Antwort entsprechen den hinterlegten Originalfassungen. Die endgültige Version ist im Bulletin für Interpellationen und Fragen (BIF) veröffentlicht. 

Frage von Diana Stiel (Vivant) vom 19. Februar 2024:

Ein Betrieb im Bereich der Sozialwirtschaft ist „Die Alternative“. 
Aus dem GrenzEcho-Bericht vom 20.11.2023 ging folgendes hervor: 
– Die Nachfrage bei der Alternativen Vog im Bereich Hilfe im Haushalt sei groß aber die Wartelisten sind mit sechs Monaten bis zwei Jahre Wartezeit sehr lang; 
– 1.700 Haushalte würden aktuell bedient werden, hunderte würden auf der Warteliste stehen; 
– momentan würden mindestens 50 Haushaltshilfen fehlen, da deren Anzahl in den letzten Jahren dramatisch abgenommen habe – alleine im Süden der DG seien von 120 nur noch 80 verfügbar; 
– die dringendsten Anfragen von alten oder kranken Personen würden zuerst bedient wer-den; 
– als Voraussetzung für die Arbeit als Haushaltshilfe werden Zuverlässigkeit, Loyalität und Ehrlichkeit genannt; 
– der Auftrag der „Alternative“ sei einerseits die sozialberufliche Eingliederung der Haushaltshilfen und andererseits die Unterstützung im Alltag der Kunden. 

Man kann also zusammenfassen, dass Betriebe, die niederschwellige Beschäftigungs- und Qualifizierungsangebote für Benachteiligte wie Menschen mit Behinderung oder andere arbeitsmarktferne Zielgruppen der Arbeitsmarktpolitik schaffen wollen, als „soziale Unter-nehmen“ betitelt werden können. 
Da am Beispiel der „Alternative“ deutlich wird, dass in der DG viele niederschwellige Arbeitsstellen zur Verfügung stehen und dringend besetzt werden sollen, müssen wir also korrekterweise von einem Arbeitskräftemangel sprechen – nicht von einem Fachkräfte-mangel. 
Einen großen Pool potentieller Arbeitskräfte für niederschwellige Arbeitsstellen bilden je-doch möglicherweise die 1.193 Personen, die im Jahr 2022 ein Eingliederungseinkommen oder die gleichgestellte Sozialhilfe in der DG erhielten. 
Diese Zahl ist von 2014 bis 2022 kontinuierlich um insgesamt gut 35 angestiegen. 
Laut ostbelgienstatistik.be waren 2022 mit 44,3 % beinahe die Hälfte der Empfänger Nicht-EU-Ausländer, während diese Gruppe an der Gesamtbevölkerung nur den geringen Anteil von 3,6 % hat. Somit sind die Nicht-EU-Ausländer unter den Empfängern des Eingliederungseinkommens und der gleichgestellten Sozialhilfe deutlich überrepräsentiert. 
Der übrige Teil der Empfänger teilt sich auf in 11,5 % EU-Ausländer und 44,2 % Belgier. 

Das ADG schreibt in seiner Analyse zum Thema „Personen mit Migrationshintergrund auf dem (ost)belgischen Arbeitsmarkt“ am 30.01.2024 folgendes Fazit: 
„Die bessere Integration von Menschen mit Migrationshintergrund in den Arbeitsmarkt bleibt eine große Herausforderung für Belgien und die Deutschsprachige Gemeinschaft. Angesichts des herrschenden Fachkräftemangels und des Ziels, die Beschäftigungsquote in Belgien auf 80 % zu erhöhen, stellen arbeitsuchende und nicht erwerbstätige Menschen mit Migrationshintergrund ein großes Potenzial dar, das nicht ungenutzt bleiben darf. Es liegt in unser aller Interesse, alles daran zu setzen, diese Menschen in unsere Gesellschaft und Arbeitswelt zu integrieren.“

Wir von der Vivant-Fraktion finden es nämlich mehr als bedenklich, wenn gerade solche niederschwelligen Stellen aufgrund mangelnder Bewerber nicht besetzt werden können – zumal eine stattliche Anzahl potentieller Arbeitskräfte unter den Eingliederungseinkommensempfängern (1.193 Personen 2022) und den Arbeitslosen (2.304 Vollzeitarbeitslose Ende Dezember 2023) zu finden sein würden – würde man dort suchen. 
Daher stellen sich uns folgende Fragen, die wir Ihnen hiermit vorlegen: 
1. Die DG zählte Ende Dezember 2023 2.304 Vollzeitarbeitslose, wovon 41 % niedrig- qualifiziert sind, d.h. keine besondere berufliche Qualifikation vorweisen können – was für die Arbeit als Haushaltshilfe auch nicht benötigt wird). 
2. Wo sehen Sie Lösungsansätze in Bezug auf die Integration in die Sozialökonomie? 
3. Auch in der Privatwirtschaft fehlen in vielen Bereichen Arbeitskräfte, wo nicht zwingend eine fachliche Vorausbildung nötig ist. Wie sehen Ihre Lösungsansätze für diese Situation aus? 
4. Die neun ÖSHZ sind bereit sich als Arbeitsvermittler anerkennen zu lassen, um dann auch berufliche Vermittlungsarbeit anzubieten. 
5. Wie ist der genaue Stand der Dinge diesbezüglich? 
6. Welche konkreten Maßnahmen – außer den Sprachkursen – werden ergriffen, um die Gruppe der Nicht-EU-Bürger auf Ebene der ÖSHZ zu erreichen? Wie unterscheiden sich diese Maßnahmen von denen für die belgischen Mitbürger? 


Antwort von Isabelle Weykmans (PFF), Ministerin für Kultur, Beschäftigung, Wirtschaftsförderung und ländliche Entwicklung:

Erlauben Sie mir zunächst zwei Hinweise bezüglich Ihrer Einleitung. 
Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass die Zahl der potenziellen Arbeitskräfte nicht aus der Summe der Eingliederungseinkommensempfänger und den im Arbeitsamt eingetragenen Arbeitslosen besteht. Der einfache Grund: Die Mehrheit der Eingliederungseinkommensempfänger im erwerbsfähigen Alter müssen sich als arbeitsuchend im ADG ein-tragen. Sie sind also bereits in der Zahl der Arbeitsuchenden enthalten. 
Die von Ihnen genannte Zahl der Eingliederungseinkommensempfänger von 1.193 Personen beinhaltet hingegen auch Senioren, Studenten und Personen mit starken gesundheitlichen Beeinträchtigungen. 
Ein weiterer Hinweis gilt dem Begriff der niederschwelligen Arbeit. Wenngleich manche Stellen kaum formale Qualifikation erfordern, so sind doch meist weitere Voraussetzungen erforderlich, um die Tätigkeit auszuüben zu können. 
Am Beispiel der Haushaltshilfe wären hier der Führerschein, grundlegende Sprachkennt-nisse und Gesundheit zu nennen. Auf dieses „Trio Infernale“ gehe ich später weiter ein. 
Zudem gibt es auch bei niedrigqualifizierten Tätigkeiten oft eine ganze Reihe von Qualifikationen, die ggf. erlernt werden müssen. Putzen ist zum Beispiel keine angeborene Fähigkeit. Putzen in Vollzeit ist zudem harte Arbeit. Wer seinen Lebensunterhalt als Haushaltshilfe bestreitet, verdient unseren Respekt. 
Darüber hinaus erlaube ich mir eine weitere Vorbemerkung, bevor ich auf Ihre Fragen eingehe. 
Ich möchte davor warnen, auf das allzu simple Bild des niedrigqualifizierten Migranten anzuspielen, dem eine Reihe von unbesetzten einfachen Arbeitsstellen gegenübersteht, die er nur anzunehmen bräuchte.

Personen mit Migrationshintergrund sind nicht zwangsläufig niedrigqualifiziert. Rund 21% von ihnen verfügen sogar formal gesehen über einen Hochschulabschluss. 
Allerdings sind ihre Qualifikationen auf dem hiesigen Arbeitsmarkt nicht immer unmittelbar nutzbar. 
Nichtsdestotrotz stimme ich mit dem Arbeitsamt und Ihnen darin überein, dass die berufliche Integration von Personen mit Migrationshintergrund ein wichtiges Ziel ist, dem wir nach wie vor eine sehr hohe Priorität einräumen sollten. Arbeitskräfte sind Grundpfeiler unserer Wirtschaft. Arbeit fördert die gesellschaftliche Integration. 
Nun aber zu Ihren Fragen: 

Wo sehen Sie Lösungsansätze in Bezug auf die Integration in die Sozialökonomie? 
Die Unternehmen der Sozialökonomie spielen eine wichtige Rolle in der beruflichen Eingliederung von Personen, die auf dem regulären Arbeitsmarkt kaum Chancen haben. Zudem bieten sie oft Dienstleistungen an, die für gewinnorientierte Unternehmen uninteressant sind. 
Daher haben wir in dieser Legislatur ein Dekret über die Anerkennung und Förderung von Betrieben im Bereich der Sozialwirtschaft erarbeitet, welches am 29. Januar 2024 im Parlament verabschiedet wurde. 
Zudem fördert der Europäischen Sozialfonds in großem Maße verschiedene Träger der Sozialökonomie, deren Hauptaugenmerk auf die berufliche Eingliederung liegt. Innovative Lösungsansätze können hier im Rahmen von Pilotprojekten erarbeitet werden und reifen. 
Für die Entwicklung der Sozialökonomie ist mein Ministerkollege Antoniadis zuständig. Als Beschäftigungsministerin finde ich wichtig, dass eine Tätigkeit in der Sozialökonomie neue berufliche Perspektiven eröffnen kann, insofern dies zum Profil der Person passt. So sollte zum Beispiel die Arbeit als Haushaltshilfe keine Sackgasse sein, insbesondere, wenn eine höhere ausländische Qualifizierung vorliegt. 
Vor allem die sozialen Eingliederungsbetriebe bieten Ausbildungs- oder Arbeitsplätze, die mit einer teilweisen intensiven Begleitung und Unterstützung einhergehen. Oft ergeben sich auch innerhalb der Sozialbetriebe berufliche Aufstiegschancen. Zudem sind die Tätigkeitsfelder der hiesigen Sozialbetriebe sehr vielfältig. 
Die ostbelgische Sozialwirtschaft ist somit de facto ein Sektor, der arbeitsmarktfernen, benachteiligten Personen berufliche (Wieder-)Einstiegschancen bietet, unabhängig von ihrer Herkunft. 
Mit der Umsetzung des Vermittlungsdekretes erhoffen wir uns ein besseres Verständnis über die Arbeitssuchenden und die Wirkung unserer Angebote. So können wir unsere Begleitung, unsere Vermittlungsangebote und unsere Ausbildungsformen besser anpassen. 

Auch in der Privatwirtschaft fehlen in vielen Bereichen Arbeitskräfte, wo nicht zwingend eine fachliche Vorausbildung nötig ist. Wie sehen Ihre Lösungsansätze für diese Situation aus? 
Wir können und wollen den Arbeitgebern das Einstellen nicht abnehmen. Mit der AktiF- und AktiF PLUS-Beschäftigungsförderung unterstützen wir aber die Einstellung von Personen mit gewissen Hemmnissen. Im Jahr 2023 profitierten 485 Arbeitgeber von der allgemeinen AktiF-Förderung, die mehrheitlich von der kommerziellen Privatwirtschaft in Anspruch genommen wird. 
Zudem können wir Arbeitssuchende dabei unterstützen, gewisse Hemmnisse abzubauen. 
Hier wären wieder die Sprachkenntnisse zu nennen, aber auch digitale Basiskompetenzen werden immer wichtiger. Auch fehlende Mobilität ist ein Hemmnis, dem wir das Pilotprojekt Mobil4Job entgegengesetzt haben. 

Darüber hinaus liefern die Unternehmen der Sozialökonomie selbst mit ihren Dienstleistungen einen wichtigen Beitrag zur Entastung kommerzieller Unternehmen. Nehmen wir noch einmal das Beispiel der Alternative. Durch die Haushaltshilfen der Alternative DLS VoG und dem Bügel- und Nähdienst der Alternative VoG ist es vielen Fachkräften möglich, mehr in ihrem Beruf zu arbeiten. Auch andere Dienstleister tragen dazu bei, Arbeitnehmer, zu entlasten. Beispielsweise können kleine Gartenarbeiten, kleine Schreinerarbeiten oder Fahrradreparaturen durch hiesige Sozialbetriebe übernommen werden. 
Andere Betriebe der Soziaalökonomie sind eher im B2B unterwegs. Sie erledigen Arbeiten im Auftrag gewinnorientierter Unternehmen, die die Fachkräfte dort wiederum entlasten. Ein klassisches Beispiel dafür sind die Beschützenden Werkstätten. 

Die neun ÖSHZ sind bereit, sich als Arbeitsvermittler anerkennen zu lassen, um dann auch berufliche Vermittlungsarbeit anzubieten. Wie ist der genaue Stand der Dinge diesbezüglich? 
Alle neun ÖSHZ haben die Absicht erklärt, sich als Vermittlungsdienst anerkennen zu las-sen. Darüber haben wir uns sehr gefreut. Sie können also bis zum 30. April einen Antrag auf Anerkennung als Vermittlungsdienst einreichen. 
Wenn sie anerkannt werden, erhalten sie den vollen und direkten Zugang zu den Vermittlungsangeboten, wie Praktikum, Berufsorientierung oder Ausbildung. 
Aktuell treffen sich Arbeitsamt und ÖSHZ regelmäßig, um eine Reihe technischer und praktischer Fragen abzuklären. Die verschiedenen Behörden lernen dabei miteinander und von-einander. Ich bin davon überzeugt, dass dies mittelfristig einen positiven Effekt auf die Qualität und Effizienz der Arbeitsvermittlung in Ostbelgien haben wird. 
Neben den eigentlichen Vermittlungsdiensten, sprich dem ADG und den ÖSHZ, stehen auch andere soziale Dienste mit den Arbeitsuchenden in Kontakt. Um einerseits den Mitarbeitenden der Vermittlungsdienste, und andererseits anderen Sozialarbeitenden die bestehenden Unterstützungsangebote näher zu bringen, wurde die Initiative “Offensive Fach-wissen” lanciert. Ziel ist, dass alle Begleiter gut über die Unterstützungsangebote unter-schiedlicher Träger Bescheid wissen und ihre Schützlinge gut beraten und orientieren können. 

Welche konkreten Maßnahmen – außer den Sprachkursen – werden ergriffen, um die Gruppe der Nicht-EU-Bürger auf Ebene der ÖSHZ zu erreichen? Wie unter-scheiden sich diese Maßnahmen von denen für die belgischen Mitbürger? 
In den arbeitspolitischen Maßnahmen unterscheiden wir sehr selten zwischen Personen mit Migrationshintergrund und Personen ohne. Das hat einen einfachen Grund: Bei der Arbeits-suche geht es vorrangig darum, was eine Person kann und welche Hemmnisse möglicher-weise die Arbeitsuche erschweren. 
Wenn Sprachkenntnisse oder der Führerschein fehlen, wenn die Gesundheit beeinträchtigt ist, oder die Qualifikation nicht mehr zeitgemäß, dann stellt das den Arbeitsuchenden unabhängig von seiner Herkunft vor Schwierigkeiten. Hat eine Person mehrere Hemmnisse, so ist sie weiter vom Arbeitsmarkt entfernt. Da viele Personen mit Migrationshintergrund eine andere Muttersprache haben, sind sie schneller – aber nicht zwangsläufig – in dieser Situation. 
Bedarfsgeleitete Arbeitsvermittlung bedeutet jedoch, den tatsächlichen Bedarf der Person zu erfassen, und nicht blindlinks oberflächliche Etikette, etwa aufgrund der Herkunft, zu vergeben.  

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