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Fragen und Antworten

Schriftliche Frage Nr. 420

21. März 2024 – Frage von I. Voss-Werding an Herrn Minister Antoniadis zu Übergewicht und Gesundheitsprävention in der DG

Hat die Regierung vor, Sensibilisierungskampagnen für eine gesunde und nachhaltige Ernährung in allen Schulen und anderen Einrichtungen, die öffentliche Gelder erhalten, wie Krankenhäuser, Wohn- und Pflegezentren für Senioren, Kantinen usw. zu unterstützen?

Die nachfolgend veröffentlichte Frage und die Antwort entsprechen den hinterlegten Originalfassungen. Die endgültige Version ist im Bulletin für Interpellationen und Fragen (BIF) veröffentlicht. 

Frage von Inga Voss-Werding (Ecolo) vom 14. Februar 2024:

Der Konsum von Lebensmitteln aus aller Welt, der einer globalisierenden und kapitalistischen Denkweise gehorcht, ist die Ursache für viele Gesundheitsprobleme. In der gleichen Denkrichtung ist das sogenannte Junkfood eine tickende Zeitbombe für unsere Gesundheit. Eine ungesunde Ernährung kann zu Herzkreislauferkrankungen, Diabetes und bestimmten Krebserkrankungen führen. Es ist wichtig zu erwähnen, dass Übergewicht nicht ausschließlich auf Junkfood zurückzuführen ist, sondern auch durch andere Krankheiten verursacht werden kann2. 
In Belgien leidet fast jeder zweite Erwachsene an Übergewicht. Übergewicht und Adipositas mobilisieren in Belgien jedes Jahr 4,5 Milliarden Euro an Gesundheitsbudget3. 
Laut dem neuesten Bericht von Sciensano über den Gesundheitszustand der belgischen Bevölkerung ist fast jeder zweite Belgier (49,3 %) übergewichtig und 15,9 % leiden an Fettleibigkeit. Die Behandlung von Patienten mit Übergewicht würde laut dem Weltverband für Obesität (WFA) für Belgien Kosten in Höhe von fast 4 Milliarden € pro Jahr verursachen. Und eine gesamtwirtschaftliche Auswirkung (Gesundheitsversorgung, sinkende Produktivität der Arbeitnehmer, Fehlzeiten, Ruhestand oder vorzeitiger Tod), die von der Weltgesundheitsorganisation auf 10 Milliarden € pro Jahr in Belgien geschätzt wird. 
Diese Zahlen werden in Zukunft noch steigen. Nach Schätzungen des OMS wird bis 2035 jeder dritte Belgier an Obesität leiden, während es derzeit nur jeder sechste ist. Die Prä-valenz von Obesität würde bei Frauen auf 27% (7% bei Mädchen) und bei Männern auf 37% (12% bei Jungen) steigen. "Die weltweiten wirtschaftlichen Auswirkungen von Über-gewicht und Obesität werden sich bis 2035 auf 4,320 Milliarden € pro Jahr belaufen, wenn sich die Präventions- und Behandlungsmaßnahmen nicht verbessern", schätzt die OMS4. 
Was können wir tun, damit unsere Bevölkerung nicht in eine chronische Obesität gerät, in der Kinder von klein auf dazu neigen, Übergewicht zu entwickeln? Die Lösungen sind vor-handen und liegen im Bereich der Prävention. 
Bewegung, Sport, Vermeidung von Bewegungsmangel und mehr Zeit im Freien, und das täglich. 
Ein weiterer wichtiger Teil der Prävention ist eine gesunde, nicht industrialisierte, nicht verarbeitete, möglichst frische und regionale Ernährung. Es ist wichtig, wieder eine echte Beziehung zwischen Produzenten und Konsumenten herzustellen. Wenn wir in eine Politik der Prävention von Obesität investieren, können wir in Zukunft viel Geld sparen. Dies kann durch Aufklärung im frühen Kindesalter und die Unterstützung von Projekten zur Förderung des Gesundheits- und Ernährungsbewusstseins erreicht werden. 

Dazu unsere Fragen: 
1. Hat die Regierung vor, Sensibilisierungskampagnen für eine gesunde und nachhaltige Ernährung in allen Schulen und anderen Einrichtungen, die öffentliche Gelder erhalten, wie Krankenhäuser, Wohn- und Pflegezentren für Senioren, Kantinen usw. zu unterstützen? 
2. Würden Sie sich dafür einsetzen, dass die Mehrwertsteuer auf frisches Obst, Gemüse und Leguminosen gesenkt wird? 
3. In welchem Umfang werden Kantinen (finanziell und personell) unterstützt, um eine solche Ernährung anzubieten? 
4. Ist es vorgesehen, Lehrer in der Gesundheitsprävention zu unterstützen, damit sie die Wichtigkeit der gesunden Ernährung und der Nahrungskette bei ihren Schülern thematisieren können? 
5. Inwiefern unterstützt die Regierung die Organisation von Schulausflügen zu Bauernhöfen, Landwirten, lokalen Produzenten, Koch-Workshops, den kollektiven Konsum von Saisonobst und -gemüse, die Einrichtung von Grünflächen auf allen Schulhöfen mit Gemüsegärten, Kräuterbeeten, Obstbäumen usw.? 

Antwort von Antonios Antoniadis (SP), Minister für Gesundheit und Soziales:

Eingangs gilt es festzuhalten, dass jeder Mensch zunächst eine Eigenverantwortung für sich selbst und im Fall von Familien für seine minderjährigen Kinder trägt. Insofern keine finanziellen Gründe eine Rolle spielen, obliegt die Entscheidung darüber, wie man sich ernährt, im Rahmen der Selbstbestimmung den Bürgerinnen und Bürger. Eine gesunde und ausgewogene Ernährung kann nicht vom Staat diktiert werden. Die öffentliche Hand kann Rahmenbedingungen für eine neutrale Basis-Sensibilisierung schaffen und je nach politischer Ebene zum Beispiel durch Steuerhebel die Preispolitik und Zulassung bestimmter Zutaten und Lebensmittel bestimmen. Letzteres obliegt dem Föderalstaat. 
Es gibt bereits eine Fülle an Informationen rund um die gesunde Ernährung. In Zeitungen, Zeitschriften, Fachliteratur, in Webseiten, in sozialen Medien, in Kursen, in Schulen, in Kampagnen, der Werbung, im Einzel- und Onlinehandel, in Einrichtungen und Diensten sowie bei Ärzten und anderen Gesundheitsdienstleistern wird regelmäßig über dieses Thema informiert. 
In der Deutschsprachigen Gemeinschaft gibt es ein Konzept für die Gesundheitsförderung. Die Grundlage hierfür bildet das Dekret zur Gesundheitsförderung und zur medizinischen Prävention vom 1. Juni 2004. 
Im Dekret ist festgehalten, dass die Regierung auf der Grundlage eines Gutachtens des Beirats für Gesundheit ein Konzept zur Gesundheitsförderung verabschiedet, dessen inhaltliche Schwerpunkte alle zwei Jahre nach Begutachtung durch den Beirat festlegt werden. 
Die Schwerpunkte in den letzten Jahren waren u. a. Ernährung, Bewegung und psychische Gesundheit. 
Die Förderung einer gesunden Ernährung und Bewegung wird durch die Regierung in Form von Zuschüssen, die nach Einreichen eines Projektantrages genehmigt werden können, sowie durch die laufende Arbeit der Akteure PRT und Kaleido umgesetzt. Jährlich wird z. B. eine sensibilisierende Ernährungskampagne lanciert. Zudem werden persönliche Beratungstermine angeboten. Akteure, die in der Lage sind, das Ess- und Bewegungsverhalten spezifischer Zielgruppen positiv zu beeinflussen, können jedes Jahr Projekte einreichen. 
Nun zu den Antworten auf Ihre Fragen. 

1.) Am 11. Mai 2023 hat der PRT in Zusammenarbeit mit „Manger Demain“ The Green Deal Canteens einen Informationsvortrag über die mögliche Unterstützung der Wallonie für grüne Kantinen gehalten. Die 6 Schwerpunktthemen sind die folgenden: 
a. Lokale und Jahreszeitliche Produkte 
b. Gesunde, ausgewogene und schmackhafte Mahlzeiten 
c. Umwelt und Tierfreundliche Produkte 
d. Reduzierung der Lebensmittelverschwendung und des Abfalls 
e. Fair gehandelte Produkte 
f. Soziale Integration 
Um dies zu erreichen, unterstützt „Manger Demain“ die teilnahmewilligen Kantinen mit Coaching, Aktionsplänen und Workshops. Diese Information wurde zusätzlich zur Werbung durch den PRT an alle WPZS und Krankenhäuser weitergegeben. 
Bisher sind keine weiteren Rückmeldungen von Seiten der Einrichtungen eingetroffen. 
Mehr Information auf: Le Green Deal Cantines Durables – Manger Demain und (DE) Le Green Deal Cantines Durables pour les cantines, en quoi ça consiste ? (youtube.com) 
2.) Eine Senkung der Steuern auf Obst und Gemüse könnte dem Konsum dieser Produkte zugutekommen, fällt aber nicht in die Zuständigkeit der Deutschsprachigen Gemeinschaft. Die Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft steht einer solchen Überlegung offen gegenüber. Es gibt Staaten, die für bestimmte Produkte eine reduzierte Mehrwertsteuer bis zu 0 % Mehrwertsteuer haben. Eine ähnliche Überlegung hat der föderale Finanzminister bereits geäußert. Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass bis zum Ende der Legislatur-periode die Umsetzung einer solchen Maßnahme erfolgt. Neben der Frage, wie die Minder-einnahmen im Haushalt ausgeglichen werden (Steuern dienen der Finanzierung kosten-günstiger bis kostenloser Dienstleistung und von Infrastruktur), wäre es bei so einer Maßnahme wichtig, dass der Einzelhandel die Steuersenkung im Preis für den Endkunden berücksichtigt. 

3.) Die Deutschsprachige Gemeinschaft übernimmt die Personalkosten der Zentralküche „DG Mensa“ des Dienstes mit getrennter Geschäftsführung „Service und Logistik“. Der Ein-kauf der Lebensmittel wird nicht subventioniert. Von der Zentralküche aus werden die Mensen folgender Schulen beliefert: das Robert-Schuman-Institut, das Königliche Athenäum Eupen, die Pater-Damian-Schule, das César-Frank-Athenäum Kelmis und der Campus Monschauer Straße, bestehend aus dem Zentrum für Förderpädagogik, der Autonomen Hochschule Ostbelgien, der Städtischen Grundschule Unterstadt, der École communale pour enfants d'expression française und der vom ZKB angebotenen Ferienbetreuung. 
Die Kosten für die Mittagsmahlzeiten, die die DG Mensa zubereitet, sind sehr gering. Das bescheinigte eine 2017 durchgeführte Studie des Bunds der Familien zu den Schulbesuchs-kosten in der Deutschsprachigen Gemeinschaft. Im Bericht steht, dass „die Kosten für Mittagsmahlzeiten besonders vorbildlich in der DG [sind], da diese unentgeltlich sind oder nur mit geringen Kosten einhergehen“. 
Kindergartenkinder erhalten durch die DG Mensa mittags kostenlos Suppe. Für Primar- und Sekundarschüler kostet die Suppe nur 0,50 EUR. Ein Menü kostet im Kindergarten und in den ersten drei Primarschuljahren 1,50 EUR, in den letzten drei Primarschuljahren und in der Sekundarschule 2,50 EUR. 
Die Lernenden, die von der DG Mensa Großküche versorgt werden, konsumieren Speisen, die vorrangig aus lokalen, regionalen und biologisch angebauten Erzeugnissen zubereitet werden. Um die Wichtigkeit des Themas zu unterstreichen und gesunde Schulmahlzeiten zu gewährleisten, setzt DG Mensa im Gemeinschaftsunterrichtswesen das eigene Leitbild zur nachhaltigen Ernährung um. Dieses ist auf der Internetseite von DG Mensa einsehbar: https://dgmensa.be/desktopdefault.aspx/tabid-4566/8089_read-44922/#:~:text=Un-ser%20Weg%20f%C3%BChrt%20%C3%BCber%20ein,geistigen%20und%20sozia-len%20Wohlbefinden%20beitr%C3%A4gt 

4.) Das EU-Schulprogramm für Obst, Gemüse und Milch wird für die Schulen in der Deutschsprachigen Gemeinschaft von der Wallonischen Region verwaltet. Wie das Pro-gramm funktioniert, hat meine Kollegin Ministerin Klinkenberg im Ausschuss III bereits mehrfach erläutert. Ich verweise hierzu auf ihre Antworten auf die schriftliche Frage 278 
vom 4. August 2022 von Herrn Gregor Freches sowie ihre Antwort auf die mündliche Frage 1275 vom 16. März 2023 von Frau Stephanie Pauels. Ich möchte an dieser Stelle lediglich hervorheben, dass die Lehrpersonen bei einer Teilnahme an dem EU-Programm auch pädagogisches Material erhalten. 
Alternativ zum EU-Programm bietet Kaleido seit knapp zwei Jahrzehnten das Projekt „Tutti Frutti“ an. „Tutti Frutti“ richtet sich an alle ostbelgischen Kindergärten und Primarschulen und ermöglicht es dank der Zusammenarbeit mit lokalen Obsthändlern, den Kindern ein-mal wöchentlich frisches Obst der Saison zu liefern. Die Kinder erwerben ein Obstabonnement pro Schuljahr. Die Preise werden von Kaleido Ostbelgien ausgehandelt, die Umsetzung liegt aber in Händen der Schule. Darüber hinaus führen zahlreiche Schulen eigene Projekte in diesem Bereich durch. Kaleido Ostbelgien bietet zudem Animationen rund um die Ernährung an, um das Bewusstsein für ein gesundes Essen bei Jugendlichen zu schärfen. 
Im Rahmen der Bildungsvision 2024 ist vorgesehen, dass dem Thema Wohlergehen und psychische und physische Gesundheit noch mehr Bedeutung in den Schulen beigemessen wird. Die Bildungsministerin hat Kaleido bereits den Auftrag erteilt, einen Katalog „Gesundheit macht Schule“ mit Aktivitäten für Schulklassen sowie Weiterbildungsangeboten für Lehrer zu entwickeln. Außerdem soll Kaleido die Schulen künftig in der Schulentwicklung im Bereich der Gesundheitserziehung unterstützen. 
Auch in den Rahmenplänen wird das Thema der gesunden Ernährung mehrfach verpflichtend behandelt, in der Primarschule im Themenfeld „Lebewesen haben einen Stoffwechsel“ und ab der Unterstufe des Sekundarunterrichts durchgängig bis zur Oberstufe im Fachbereich Naturwissenschaften. Auch in den Rahmenplänen Biologie der 2. und 3. Stufe des Sekundarunterrichts wird das Thema verpflichtend behandelt. 
Spezifische Weiterbildungsangebote für Lehrpersonen bietet die Autonome Hochschule Ostbelgien im laufenden Schuljahr nicht an. 

5.) Die Schulen erhalten Funktionssubventionen bzw. -dotationen, Mittel für pädagogische Zwecke und zur Reduzierung der Schulbesuchskosten. Mit diesen Zuschüssen der Deutschsprachigen Gemeinschaft können Schulen unter anderem außerschulische Aktivitäten, die ein pädagogisches Ziel haben, organisieren. Die Schulen haben somit die Möglichkeit, die erhaltenen finanziellen Mittel nach ihrem Ermessen einzusetzen. Zahlreiche Schulen nutzen die Mittel für Ausflüge zu Bauernhöfen etc. Ebenso wird in vielen Schulen zusammen gekocht. Wie bereits erwähnt, können die Schulen über das entsprechende EU-Programm auch Obst, Gemüse und Milch beziehen. 
Das von der Regierung finanzierte Programm „Demokratie macht Schule“ enthält Angebote zur Bildung zur nachhaltigen Entwicklung, darunter auch Angebote rund um das Thema Ernährung. Schulklassen können die Angebote buchen, die Kosten trägt die Regierung. Dabei kann es sich um Besuche außerschulischer Lernorte wie Bauernhöfe oder das Natur-zentrum Ternell handeln oder um Animationen in der Klasse zum Thema Ernährung. 
Des Weiteren legen die Hausaufgabenschulen, die über die Deutschsprachige Gemeinschaft durch die Provinzzuschüsse finanziell unterstützt werden, großen Wert darauf, saisonales Obst zur Verfügung zu stellen und somit ebenfalls zum pädagogischen Auftrag über die Erklärung des saisonalen Obstes und der gesunden Ernährung beizutragen. 
Die Regierung bezuschusst die Personalkosten für das Projekt „Mit den Bienen durch das Jahr“ für Schülerinnen und Schüler. Im Rahmen dieses Projekts werden Kinder und Jugendliche gemeinsam mit ihren Lehrpersonen für die Aufzucht und die Gefährdung von Bienen sensibilisiert. 
Der Fachbereich Pädagogik des Ministeriums bewirbt regelmäßig Angebote externer Anbieter zum Thema Natur und Ernährung wie beispielsweise den Experimentierworkshop zum Thema „Gute Pilze - Böse Pilze für 13- bis 17-Jährige“ oder das Naturcamp „One week for future“ im Waldjugendcamp in Stadtkyll des Naturparks Hohes Venn-Eifel. 
Das Dekret vom 18. März 2002 zur Infrastruktur bietet keine spezifische Möglichkeit zur Bezuschussung der Einrichtung von Gemüsegärten, Kräuterbeeten und Obstbäumen, da sie als Außenanlagen bzw. als Bestandteil der Außenanlagen gewertet werden.

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