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Fragen und Antworten

Mündliche Frage Nr. 1625

12. März 2024 – Frage von P. Spies an Ministerin Weykmans zur Lohnspanne zwischen Männern und Frauen

Sind Ihnen ostbelgienspezifische Zahlen zum Lohngefälle zwischen Männern und Frauen bekannt?

Die nachfolgend veröffentlichte Frage und die Antwort entsprechen den hinterlegten Originalfassungen. Die endgültige Version ist im Bulletin für Interpellationen und Fragen (BIF) veröffentlicht. 
 
Frage von Patrick Spies (SP): 
 
Die Frage reichte ich am Weltfrauentag ein. In dem Kontext war es mir ein besonderes Anliegen, die Lohnspanne zwischen Männern und Frauen zu thematisieren. Denn, obwohl Diskriminierungen legal verboten sind, stellt man in der Praxis doch immer noch Gehaltsunterschiede fest.
In einem am 7. März 2024 veröffentlichten Beitrag auf der Seite von Statbel ist gleich im Titel zu lesen: „Frauen verdienen 5 % weniger als Männer im Jahr 2022“. Gemeint ist damit, dass der Stundenlohn einer Frau 5 % geringer ist als der eines Mannes. Zu Beginn der beruflichen Laufbahn gibt es noch kaum Unterschiede und dann nehmen diese aber stark zu.
Ein Blick auf die Seite des Instituts für die Gleichstellung von Frauen und Männern zeigt, dass 49 % der Unterschiede auf unterschiedliche Posten zurückzuführen sind, während es für 51 % der Unterschiede keine Erklärung gibt.
 
Zwei positive Elemente seien hier auch erwähnt:
1. Innerhalb von 10 Jahren ist das geschlechtsspezifische Lohngefälle um 3,3 % gesunken.
2. Im internationalen Vergleich schneidet Belgien besser ab als die meisten anderen europäischen Länder.
 
Vor diesem Hintergrund möchte ich Ihnen werte Frau Ministerin folgende Fragen stellen:
1. Sind Ihnen ostbelgienspezifische Zahlen zum Lohngefälle zwischen Männern und Frauen bekannt?
2. Welche Maßnahmen könnte die DG Ihres Erachtens zur Reduzierung des Lohngefälles ergreifen?
3. Sehen Sie auf anderen Ebenen Handlungsmöglichkeiten, die die Situation in der DG verbessern könnten?
 
 
 
Antwort von Isabelle Weykmans (PFF), Ministerin für Kultur, Beschäftigung, Wirtschaftsförderung und ländliche Entwicklung:
 
Sehr geehrter Herr Vorsitzender, 
Werte Kolleginnen und Kollegen,
 
ein wichtiges Thema, Lohngefälle zwischen Männern und Frauen, auch in Ostbelgien.
Zu ihrer ersten Frage bezüglich ostbelgienspezifischer Zahlen zum Lohngefälle, liegen mir leider aktuell keine spezifischen Daten vor. Aufgrund des hohen Anteils an Grenzpendlern wären entsprechende Zahlen aber ohnehin lückenhaft. 
Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Situation in Ostbelgien die von Ihnen genannten Trends und Feststellungen ebenfalls widerspiegelt. 
Zu ihrer zweiten Frage: Ich denke, es sind sehr viele verschiedene Maßnahmen denkbar, um das Lohngefälle weiter zu reduzieren. Maßnahmen, die auf den ersten Blick gar nicht mit dem Lohngefälle in Verbindung zu stehen scheinen. 
Vorab sollten wir aber einen kurzen Blick auf die Ursachen des Lohngefälles werfen. Wie kommt es eigentlich zum sogenannten gender pay gap? Es ist ja nicht so, dass Arbeitgeber Frauen einfach so, aufgrund ihres Geschlechts, bewusst weniger zahlen. Das ist in Europa verboten. 
Mit Studien und Büchern zum Thema Gender pay gap und Gleichberechtigung kann man Bibliotheken füllen. Ich möchte mich hier in der Kürze der Zeit auf zwei Themenkomplexe beschränken.
Zum einen leisten Frauen immer noch den Großteil der Sorgearbeit. Sie verbringen durchschnittlich mehr Stunden mit der Kinderbetreuung, dem Haushalt und der Pflege von Angehörigen. In der Folge arbeiten Frauen häufiger in Teilzeit. Frauen sind häufiger diejenigen, die ihre berufliche Laufbahn sogar ganz unterbrechen. In Ostbelgien arbeiten 70% der Frauen in Teilzeit. Sie gehen auch früher in Teilzeitbeschäftigung als in den anderen Regionen Belgiens.
 
Familiäre Auszeiten und Teilzeitarbeit sind auch heute noch nicht karrierefördernd. Positionen mit größerer Verantwortung oder gar Führungspositionen bleiben so häufiger den männlichen Kollegen vorbehalten. Im Jahr 2020 stellten Frauen lediglich ein Drittel der Führungskräfte in der EU, obwohl sie fast die Hälfte der Beschäftigten ausmachten. Das alles hat Einfluss auf den Brutto-Stundenlohn, um den es ja hier geht.
Berücksichtigt man sowohl die unbezahlte als auch die bezahlte Arbeit, so arbeiten Frauen im Schnitt übrigens mehr Stunden pro Woche als Männer.
Eine weitere Ursache des gender pay gap liegt in der Berufswahl der jungen Frauen. Sie wählen häufiger Berufe aus, in denen schlechter gezahlt wird. Es handelt sich um Tätigkeiten, die oft in Verbindung mit Sorgearbeit stehen, wie Erziehung, Pflege, Gesundheit oder Haushalt. IT und Technik zahlt besser.
 
Was können wir tun?
Zum einen sollten wir Familien entlasten, wo immer es geht. Wenn wir Familien entlasten, entlasten wir insbesondere Frauen. Wir schaffen Freiräume für ihre berufliche Entwicklung. 
Auch wenn wir in den letzten Jahren schon viel in die Kinderbetreuung investiert haben, gibt es noch Luft nach oben. Vergessen wir nicht die nachschulische Betreuung, die Ferienbetreuung oder Angebote zur Nachhilfe. Auch Schulen sollten weiter darauf achten, dass die elterliche Begleitung übersichtlich und händelbar bleibt. Haushaltshilfen sind wichtig, aber Mangelware. Dienste, die die Selbständigkeit von Senioren unterstützen, sind wichtig. Hier kann die Sozialökonomie einen Beitrag leisten. Dazu verweise ich auf meine Antwort auf die schriftliche Frage von Frau Stiel. 
Wir müssen Wiedereinsteigerinnen unterstützen. Mit dem Vermittlungsdekret haben sie nun Anrecht auf die gleiche Begleitung, wie Arbeitslosengeldbezieher. Uns fehlen allerdings noch weitere gezielte berufsbegleitende Programme und Fortbildungen, damit Kompetenzen nach einer Familienphase erneuert werden können. Fortbildungsangebote sollten zu familienfreundlichen Uhrzeiten oder online stattfinden. Homeoffice und Gleitzeiten tragen weiter zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie bei. 
Wir sollten bemüht sein, starre stereotypische Rollenbilder weiter aufzubrechen und dies besonders in den Köpfen der Jugendlichen. Wir sollten Lehrer und Berufsorientierer dafür sensibilisieren, dass die Wahrnehmungen der eigenen Interessen und Talente verzerrt sein können. Wir sollten mehr Raum für berufsorientierende Erfahrungen schaffen. Hierzu haben wir in dieser Legislatur mit der Einführung verpflichtender schulischer Hospitation und Praktika und dem Praktikum aus einer Hand einen wichtigen Schritt getan.
 
Wir sollten zukünftig unkonventionelle Rollenverteilung sichtbarer machen und gewohnte Bilder kritisch hinterfragen. Die Berufsorientierung, die Kinderbetreuung und die spezifischen Begleitmaßnahmen für Frauen sind auch neben der geforderten Anpassung des Arbeitsrechts in Belgien (Föderal) die Aktionsfelder, welche der Hohe Rat für Arbeit in Belgien ausgewiesen hat, um die Situation der Frau auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Und das tun wir mit dem Vermittlungsdekret und der Reform des ADG sowie dem neuen Rahmenplan BO seit September 2023. 
 
Zum Abschluss, noch einige Zahlen und allgemeine Betrachtungen: 
 
Der EU-Durchschnitt des Lohngefälles lag im Jahr 2021 bei rund 13 Prozent. Belgien schneidet mit 5% Lohngefälle schon ganz gut ab, liegt auf Platz 4. Ecart salarial | Statbel (fgov.be)
Auch in Ostbelgien hat sich die Erwerbsbeteiligung der Frauen in den letzten 20 Jahren noch einmal um 8 Prozent gesteigert. Damit verringert sich das Risiko der Altersarmut der Frauen zwar langsam, aber die Richtung stimmt. Laut dem Pensionsamt hat sich die Kluft zwischen den Geschlechtern in einigen Fällen sogar umgekehrt: demnach erhalten Frauen, die ihr ganzes Leben lang unverheiratet geblieben sind, zwei Prozent mehr Rente als Männer in der gleichen Situation. Wir sind also auf einem guten Weg. 
 
Abschließend möchte ich betonen, dass all diese Maßnahmen, wie die Unterstützung der Elternzeit und Teilzeit von Vätern, um zu einer besseren Verteilung der Sorgearbeit zu gelangen, nicht nur den Frauen, sondern allen zugutekommen. Wenn eine Frau gut verdient, verdient ihre Familie besser. Und eine bessere Verteilung der Sorgearbeit kann für beide Elternteile bereichernd sein. Viele junge Familien in Ostbelgien leben uns das bereits vor.
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