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Fragen und Antworten

Schriftliche Frage Nr. 414

4. März 2024 – Frage von S. Piront an Frau Ministerin Klinkenberg zur Integration von ICF ins Standardausbildungspro-gramm der AHS

Wie stehen Sie zur Integration der ICF in das Standardausbildungsprogramm für Lehramtsstudierende sowohl für die Primar- als auch die Kindergartenstufe?

Die nachfolgend veröffentlichte Frage und die Antwort entsprechen den hinterlegten Originalfassungen. Die endgültige Version ist im Bulletin für Interpellationen und Fragen (BIF) veröffentlicht. 

Frage von Shayne Piront (PFF) vom 25. Januar 2024:

Die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) stellt den internationalen Standard zur Definition, Beschreibung, Erfassung und Messung von Funktionsfähigkeit und Behinderung dar. 
Dieses bio-psycho-soziale Modell bietet eine umfassende Perspektive auf Funktionsfähigkeit und Behinderung, die sämtliche Lebensbereiche einschließt. Es betont die Bedeutung von Umweltfaktoren, die die Funktionsfähigkeit beeinflussen. 
Die Autonome Hochschule Ostbelgien hat in den vergangenen Jahren eine spezialisierte Weiterbildung in Förderpädagogik etabliert. Im Rahmen dieser Kurse und des Selbststudi-ums dient die ICF als fundamentale Grundlage für das Denken und Handeln im Bereich der Förderpädagogik. 
In diesem Kontext erlauben Sie mir bitte, Ihnen folgende Fragen zu stellen, verehrte Frau Ministerin: 
1. Wie stehen Sie zur Integration der ICF in das Standardausbildungsprogramm für Lehramtsstudierende sowohl für die Primar- als auch die Kindergartenstufe? 
2. Welche Ressourcen werden hier benötigt, um eine reibungslose Integration dieses Kurses in all Ausbildungsprogramme zu gewährleisten? 
3. Welche zusätzlichen Schritte sollten ergriffen werden, um den Umgang mit Diversität und Heterogenität im Lehrplan weiter zu verbessern? 


Antwort von Lydia Klinkenberg (ProDG), Ministerin für Unterricht, Ausbildung, Kinderbetreuung und Erwachsenenbildung:

Im Jahre 2008 trat die „Behindertenrechtskonvention“ der Vereinten Nationen in Kraft, die auch seitens der Deutschsprachigen Gemeinschaft ratifiziert und Mitte November 2010 verabschiedet wurde. Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen definiert Menschen mit Behinderung als „Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können“. 
Wir können einen Einfluss auf diese Barrieren ausüben und damit die Teilhabe aller Lernenden in einem inklusiven Bildungswesen deutlich erhöhen. 
Hierbei dient die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) fach- und länderübergreifend als einheitliche und standardisierte Sprache zur Beschreibung des funktionalen Gesundheitszustandes, der Behinderung, der sozialen Beeinträchtigung und der relevanten Umweltfaktoren eines Menschen. 
Der Umgang mit ICF ermöglicht unserem Bildungswesen somit, eine einheitlichere Sprache zu sprechen und angemessene Vorkehrungen zur Teilhabe treffen zu können. 
Somit befürworte ich selbstverständlich die Nutzung der ICF-Klassifikation im Rahmen der Lehramtsstudien. Die Einführung der ICF Klassifikation ist seit dem Studienjahr 2011-2012 – und somit seit 12 Jahren – als Pflichtkurs für alle Studierenden im Lehramt Kindergarten und Lehramt Primarschule im ersten Studienjahr verankert. Im Rahmen dieses Kurses lernen die Studierenden die Klassifikation, ihren Aufbau und ihre Philosophie kennen und werden darin gefördert, Beobachtungen bei Kindern anhand der ICF-Klassifikation zu beschreiben und die Bedeutung der ICF im multidisziplinären fachlichen Austausch zu erkennen.

Die ICF bildet – insbesondere in Bezug auf die pädagogische Haltung – die Grundlage für die gezielte Förderung aller Lernenden im Kindergarten und der Primarschule. Ihr Grund-gedanke wird in aufbauenden Kursen im Grundstudium weiterentwickelt und durch fachliche und fachdidaktische Schwerpunkte angereichert. Dass angehende Lehrende noch besser auf den Umgang mit Diversität in den Schulen vorbereitet werden, ist zentraler Be-standteil der Reform der Lehrerausbildung, in der Inhalte und Kompetenzen in diesem Themenbereich vertieft und ausgeweitet werden. 
Die Weiterentwicklung der Inklusion in unserem Bildungswesen bedeutet ebenfalls, den Umgang mit Diversität und Heterogenität voranzutreiben. Hierbei ist die Differenzierung der Schlüssel zum Erfolg. Zur vorerwähnten Thematik gab und gibt es zahlreiche pädagogische Projekte in Schulen und ebenfalls entsprechende Weiterbildungsangebote an der Autonomen Hochschule Ostbelgien wie beispielsweise das Münchener Lehrertraining zum Umgang mit Disziplinschwierigkeiten, das Achtsamkeitstraining, Umgang mit Diversität und Fit für Vielfalt. 
Ein Grundverständnis von Inklusion bei unterrichtendem und nicht unterrichtendem Personal ist Grundvoraussetzung inklusiver Arbeit an Schulen. Das schaffen wir: 
• mit der Förderung von persönlicher Weiterentwicklung, in der die inklusive Haltung und das Menschenbild das Fundament bildet, 
• der Pflege eines wohlwollenden Schulumfeldes, das Inklusion ermöglicht, mit personellen und infrastrukturellen Voraussetzungen, 
• und mit durchgängiger und angepasster Weiterbildung. 

Schlussendlich erreichen wir nur eine Veränderung im Bildungswesen und eine Akzeptanz von Diversität, wenn die entsprechende offene Haltung bei den Lehrenden und auch in unserer Gesellschaft zu finden ist.

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