Schriftliche Frage Nr. 446
Wie kam es zu der im gegenwärtigen System angewandten Aufteilung von 36 Wochen-stunden Betreuungsarbeit und zwei Wochenstunden für sonstige Aufgaben? Anhand welcher Parameter wurde die Entscheidung für eben diese Stundenkontingente getroffen?
Die nachfolgend veröffentlichte Frage und die Antwort entsprechen den hinterlegten Originalfassungen. Die endgültige Version ist im Bulletin für Interpellationen und Fragen (BIF) veröffentlicht.
Frage von Stephanie Pauels (CSP) vom 21. Mai 2024:
Die Kinderbetreuung ist von essenzieller Bedeutung für eine solidarische, familienfreundliche und moderne Gesellschaft. In der Deutschsprachigen Gemeinschaft lenkt im Zuge eines umfassenden und tiefgreifenden Reformprozesses seit dem 1. Januar 2024 das neu geschaffene Zentrum der Deutschsprachigen Gemeinschaft für Kinderbetreuung (ZKB) die Geschicke der Kinderbetreuung.
Während der umfassende Reformprozess des Sektor eine Reihe von Verbesserungen für den Arbeitsalltag des Betreuungspersonals mit sich bringt, verläuft die Reform nicht voll-kommen geräuschlos. Eine Neuerung, die Anlass zur parlamentarischen Nachfrage gibt, betrifft die Wochenstunden, das Arbeitszeitmodell und den Umgang mit Überstunden für Betreuungspersonal in Heimarbeit.
So ist Betreuungspersonal in Heimarbeit gemäß dem neuen Statut u.a. zu 38 Wochenarbeitszeitstunden verpflichtet, die sich in 36 Wochenstunden Betreuungsarbeit und zwei Wochenstunden für „organisatorische Angelegenheiten“ (bspw. Aufräumen, Einkaufen, Elterngespräche, Administratives, etc.) aufteilen.
Dazu meine Fragen an die Regierung:
1. Wie kam es zu der im gegenwärtigen System angewandten Aufteilung von 36 Wochen-stunden Betreuungsarbeit und zwei Wochenstunden für sonstige Aufgaben? Anhand welcher Parameter wurde die Entscheidung für eben diese Stundenkontingente getroffen?
2. Gibt es eine Auflistung aller Aufgaben, die innerhalb des zweistündigen Kontingents für Tätigkeiten abseits der Betreuungsarbeit erledigt werden sollen? Wenn ja, bitte schlüsseln Sie diese Tätigkeiten auf.
3. Liegen der Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft bereits Rückmeldungen aus dem Sektor vor, ob die vorgesehenen zwei Wochenstunden für sämtliche anfal-lende Aufgaben abseits der Betreuungsarbeit ausreichen?
4. Wenn ja, welche?
5. Liegen der Regierung oder dem ZKB Erkenntnisse zur Sammlung von Überstunden aufgrund mangelnder Zeitkapazitäten für die anfallenden Aufgaben abseits der Betreuungsarbeit vor?
6. Wenn ja, welche?
7. Wie groß ist der durchschnittliche Unterschied zwischen den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden und den vorgesehenen 38 Wochenstunden für Kinderbetreuungspersonal in Heimarbeit?
8. Bitte schildern Sie die gegenwärtige Handhabung von angesammelten Überstunden beim ZKB. Inwiefern spielt hier die Unterscheidung zwischen tatsächlicher Betreuungs-arbeit und dem existierenden Kontingent für sämtliche sonstigen Aufgaben eine Rolle?
9. Wie bewertet das ZKB nach den ersten Monaten seiner Tätigkeit die aktuell geltende Reglung bezüglich Überstunden?
10. Wie bewertet die Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft den gegenwärtigen Umgang des ZKBs mit geleisteten Überstunden des ZKB-Betreuungspersonals?
Antwort von Lydia Klinkenberg (ProDG), Ministerin für Unterricht, Ausbildung, Kinderbetreuung und Erwachsenenbildung, eingegangen am 25. Juni 2024:
Seit dem 1. Januar 2024 ist das Personalstatut des öffentlichen Diensts ebenfalls auf die Personalmitglieder des Zentrums der Deutschsprachigen Gemeinschaft für Kinderbetreuung (ZKB) anwendbar. Dieses legt eine 38 Stundenwoche als Arbeitszeit eines voll-zeit-beschäftigten Personalmitglieds fest.
Die Arbeitszeitregelung ist Bestandteil der Arbeitsordnung des ZKB. Eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 38 Stunden ist für jedes vollzeitbeschäftigte Personalmitglied der Ausgangspunkt. Die Organisation der Arbeitszeiten ist abhängig davon, ob das Personal-mitglied beispielsweise in der Verwaltung oder in der Kinderbetreuung tätig ist. In der Kinderbetreuung gilt es darüber hinaus die unterschiedlichen Kinderbetreuungsstrukturen zu berücksichtigen: Kinderkrippe, Kinderbetreuung in Heimarbeit oder Kinderbetreuung in einer co-Initiative.
Die Einführung des sogenannten Vollstatuts stellt eine erhebliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Tagesmütter dar. Das neue Arbeitnehmer-Statut im öffentlichen Dienst, das sogenannte Vollstatut, bietet den Kinderbetreuern/-begleitern in Heimarbeit (den ehemaligen Tagesmüttern) zahlreiche Vorteile im Vergleich zum Teilstatut: einen unbefristeten Arbeitsvertrag mit sozialer Absicherung, eine festgelegte Wochenarbeitszeit von maximal 38 Stunden, die Auszahlung eines festen Monatsgehalts unabhängig von der Anzahl der betreuten Kinder, einen bezahlten Jahresurlaub von mindestens 26 Arbeits- tagen, die Auszahlung einer Jahresendprämie, die Auszahlung eines doppelten Urlaubsgel-des (ab 2025), eine kostenlose Krankenhausversicherung sowie Mahlzeitschecks.
Die Kinderbetreuer und Kinderbegleiter, die in ihren privaten Räumlichkeiten betreuen, erhalten zusätzlich zu ihrem Gehalt eine Pauschale für die Nutzung der privaten Räumlichkeiten (unabhängig von der Anzahl der betreuten Kinder) und eine Pauschale für die Verpflegung (abhängig von der Anzahl Betreuungsplätze). Und zusätzlich zur vereinbarten Betreuungszeit werden die Kinderbetreuer und Kinderbegleiter 30 Minuten je Arbeitstag für organisatorische Angelegenheiten vergütet.
Die mit den Gewerkschaften konzertierte Arbeitsordnung des ZKB legt folgendes fest:
Kinderbetreuer und -begleiter in Heimarbeit vereinbaren mit ihrem unmittelbaren Vorgesetzten, wie ihre Arbeitszeit über die Woche verteilt wird. Die 38 Stunden-Wochenarbeits-zeit kann in einer fünf- oder in einer vier-Tage-Woche geleistet werden.
Der Musterdienstplan einer fünf-Tage-Woche sieht wie folgt aus: An vier Tagen pro Woche Kinderbetreuung von 8 Uhr bis 15:30 Uhr und an einem Tag pro Woche von 8 Uhr bis 13.30 Uhr. Zusätzlich leistet das Personalmitglied pro Arbeitstag 30 Minuten Vor- und Nachbearbeitung der Betreuungsräume, Reinigung, Einkäufe, Elterngespräche. Das Personalmitglied kann frei entscheiden, wann es diese 2,5 Stunden während der Arbeitswoche leistet.
Der Musterdienstplan 4-Tage-Woche sieht wie folgt aus: An allen 4 Tagen Kinderbetreuung von 7:30 Uhr bis 16:30 Uhr oder von 8 Uhr bis 17 Uhr. Pro Arbeitstag leistet das Personal-mitglied zudem 30 Minuten Vor- und Nachbearbeitung der Betreuungsräume, Reinigung, Einkäufe, Elterngespräche. Das Personalmitglied kann frei entscheiden, wann es diese 2 Stunden während der Arbeitswoche leistet.
Bei einer Teilzeitbeschäftigung sprechen das Personalmitglied und der unmittelbare Vor-gesetzte vor Aufnahme der Tätigkeit einen Stundenplan ab, wobei ein Arbeitstag nicht weniger als fünf und nicht mehr als neun Betreuungsstunden umfassen darf.
Ein Dienstplan kann maximal einmal jährlich und mit einer Vorankündigung von mindestens drei Monaten abgeändert werden. Davon kann abgewichen werden, wenn sich beide Parteien einig sind oder ein externes Element – wie z.B. eine medizinisch bescheinigt ein-geschränkte Arbeitsfähigkeit - vorliegt. Je nach Bedarf der Betreuungssituation können diese Arbeitszeiten und Arbeitsschichten angepasst werden.
Die Zeit für organisatorische Angelegenheiten berücksichtigt die Tatsache, dass bei Kinderbetreuern in Heimarbeit die Betreuung in dem vom Mitarbeiter selbst bewohnten Räumlichkeiten stattfindet. Eine strikte Trennung zwischen privat und beruflich genutzten Räumlichkeiten ist nicht möglich. Da die beruflich genutzten Räumlichkeiten ebenfalls für private Zwecke genutzt werden, entstehen Synergieeffekte, z. B. beim Reinigen der Räumlichkeiten oder bei der Essenszubereitung. Beim Einkauf für die Kinder sind ebenfalls Synergien zwischen Privatem und Beruflichem zu berücksichtigen: Berufliche Einkäufe können mit den privaten Einkäufen kombiniert werden.
Auch können zu bestimmten Zeiten gewisse Aufgaben erledigt werden, wenn die Kinder schlafen oder nur noch vereinzelt anwesend sind. Kinderbetreuer in Heimarbeit organisieren ihren Arbeitsalltag innerhalb des rechtlichen und organisatorischen Rahmens eigenverantwortlich. Sollte sich ein Kinderbetreuer in Heimarbeit entscheiden, nicht am eigenen Wohnort zu betreuen, entfallen natürlich einige Synergieeffekte.
Der Stundenplan bzw. der Betreuungsplan sowie die Vorbereitung- und Nachbereitungszeit wurden in der individuellen Vereinbarung zur Regelung der Heimarbeit festgehalten. Jede Kinderbetreuerin in Heimarbeit hat diese Vereinbarung unterschrieben und sich somit für die Dauer von zwei Jahren damit einverstanden erklärt. Die Kinderbetreuer in Heimarbeit haben sich somit bewusst für diese Form der Kinderbetreuung entschieden.
Eine Ausweitung der Zeit für organisatorische Angelegenheiten hätte beträchtliche Auswirkungen auf die tatsächliche Betreuungszeit und wäre nachteilig für die Eltern. Jeder Kinderbetreuerin steht es selbstverständlich frei, die für sich vorteilhafteste Betreuungsform auszuwählen.
Die mit den Gewerkschaften konzertierte Arbeitsordnung des ZKB sieht vor, dass Mehr- bzw. Überstunden vom zuständigen Vorgesetzten genehmigt werden müssen und – so wie es grundsätzlich im öffentlichen Dienst gehandhabt wird – nicht ausgezahlt, sondern innerhalb einer Periode von vier Monaten abgebaut werden. Konkret bedeutet dies, dass Mehrstunden, die die Kinderbetreuer in Heimarbeit aufbauen, weil beispielsweise einzelne Kinder plan- oder außerplanmäßig früher gebracht oder später abgeholt werden, abzu-bauen sind. Dies gilt auch für Mehrstunden, die durch nicht-verpflichtete Weiterbildungen entstehen. Dieser Abbau von Mehrstunden ergänzt als zusätzliche Urlaubstage das Urlaubskontingent der Kinderbetreuer in Heimarbeit. Die Folge sind bei Kinderbetreuern in Heimarbeit zusätzliche Schließungstage des Betreuungsstandortes. Es gibt weder in Bezug auf die Arbeitszeit noch auf die Mehrstunden eine Unterscheidung zwischen der unmittelbaren Betreuungszeit und der Zeit, die auf die Verrichtung der organisatorischen Aufgaben verwendet wird.
Die Rückmeldungen der Mitarbeiter zur Arbeitszeitregelung, zu den Mehrstunden und den Zeitkontingenten sind mehrheitlich sehr positiv. Diese Mitarbeiter bekunden ihre Zufriedenheit mit der (neuen) Arbeitsordnung.
Die lang ersehnte Reform der Kinderbetreuung und die damit einhergehende Einführung des Vollstatuts haben unbestreitbar zu einer merklichen Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Kinderbetreuung geführt, was wie oben bereits erwähnt von der großen Mehrzahl der Kinderbetreuerinnen in Heimarbeit bestätigt wird. Angesichts einer derart massiven Aufwertung der Kinderbetreuerinnen und -begleiterinnen ist es sehr bedauerlich, dass hier der falsche Eindruck erweckt wird, dass man die Bedürfnisse der Tagesmütter nicht ernst nimmt. Genau das Gegenteil ist der Fall! Außerdem wurden alle oben genannten Punkte mit den Sozialpartnern konzertiert. Sicher gibt es aber weiteren Optimierungsbedarf beim ZKB hinsichtlich der internen Kommunikation und Organisation, was bei einer
Einrichtung in einer solchen Größe nicht überraschen dürfte. Im Sinne einer guten Zusammenarbeit auf Augenhöhe habe ich als zuständige Ministerin das ZKB – die Direktion und auch den Verwaltungsrat - darum gebeten, mit seinem Personal regelmäßig in den persönlichen Austausch zu gehen und offene Punkte zu besprechen.
Mit dem neuen Vollstatut erhalten die Kinderbetreuerinnen/-begleiterinnen in Heimarbeit die lange geforderte und wohlverdiente Aufwertung und Anerkennung für ihren Beruf. Die Tagesmütter konnten frei entscheiden, ob sie in das Vollstatut für Kinderbetreuer und Kinderbegleiter in Heimarbeit wechseln und in den Genuss der zahlreichen Vorteile kommen wollten oder im Teilstatut ihre Tätigkeit fortsetzen möchten. Knapp 80 Prozent der konventionierten Tagesmütter haben sich für das Vollstatut entschieden. Das allein zeigt, dass es für sie eine signifikante Verbesserung darstellt. Eine Betreuung als konventionierte Tagesmutter im Teilstatut bleibt weiterhin möglich, bietet jedoch nicht die zahlreichen Vor-teile des Vollstatuts. Im Teilstatut müssen die Tagesmütter u.a. bis zu 50 Stunden Betreuung leisten. Dabei gilt besonders zu beachten, dass die im Vollstatut bezahlte Zeit für organisatorische Aufgaben im Teilstatut überhaupt keine Berücksichtigung fand und findet.
Ich möchte an dieser Stelle dem Verwaltungsrat, der Direktion und den Führungskräften sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des ZKB für ihr Engagement und ihre Flexibilität danken. Alle gemeinsam haben an diesem beachtlichen Transformationsprozess gearbeitet und das lange geforderte Vollstatut eingeführt.