Mündliche Frage Nr. 1284
Ist die Vergabe einer Prämie für qualitativ hochstehende Weiterbildungen im Bildungswesen, die erwiesenermaßen zeitaufwändig sind und Lücken im Bildungsangebot schließen, vorstellbar?
Die nachfolgend veröffentlichte Frage und die Antwort entsprechen den hinterlegten Originalfassungen. Die endgültige Version ist im Bulletin für Interpellationen und Fragen (BIF) veröffentlicht.
Frage von Colin Kraft (CSP):
Im Unterrichtswesen werden zahlreche Weiterbildungen angeboten und es wird erwartet, dass diese Angebote wahrgenommen werden.
Eine vernünftige Weiterbildung ist zum Teil zeitaufwändig, arbeitsintensiv und geht weit über die eigentliche Arbeitszeit hinaus.
Gewisse Weiterbildungen gehen über einen Zeitraum von 2 oder 3 Jahren.
Zum Teil werden durch Weiterbildungen sog. ECTS-Punkte vergeben, resp. erworben, was den Hinweis auf den hohen Stellenwert dokumentieren dürfte.
Schriftliche Arbeiten werden verlangt und viele Zusatzstunden werden erbracht, die nicht selten das Privat- und Familienleben belasten.
Die berufliche Entwicklung wird durch dieses Engagement gefördert. Vor allem aber profitieren die SchülerInnen durch die Steigerung der Unterrichtsqualität.
Hierzu meine Frage:
1. Ist die Vergabe einer Prämie für qualitativ hochstehende Weiterbildungen im Bildungswesen, die erwiesenermaßen zeitaufwändig sind und Lücken im Bildungsangebot schließen, vorstellbar?
2. Wäre die Regierung bereit, Kriterien für diese Vergütung auszuarbeiten?
3. Welche Rechtsgrundlage müsste für dieses Prämiensystem geschaffen werden?
Antwort von Lydia Klinkenberg (ProDG), Ministerin für Unterricht, Ausbildung, Kinderbetreuung und Erwachsenenbildung:
Sehr geehrte Frau Vorsitzende,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
die Weiterbildung der Lehrer ist ein wichtiger Hebel der Qualitätsentwicklung und -sicherung im Unterrichtswesen. Alle Überlegungen, die mit dem Thema Weiterbildung in Zusammenhang stehen, müssen zusammen gedacht werden und sollten nicht losgelöst voneinander betrachtet und umgesetzt werden, zumal die Weiterbildung an sich schon mit anderen Themen wie Beurteilungen und Zielvereinbarungen oder Arbeitszeitregelungen verbunden ist. Um die Komplexität zu veranschaulichen, erlaube ich mir, ein wenig auszuholen.
Die OECD empfiehlt in ihrem Bericht zum ostbelgischen Unterrichtswesen, die berufliche Weiterbildung zu einem Schlüsselelement unserer Vision für den Lehrerberuf zu machen und einheitliche und verbindliche Standards zu entwickeln. Es wird bereits daran gearbeitet, verschiedene existierende und unabhängig voneinander entwickelte Instrumente aufeinander abzustimmen – ich denke da an die "Säulen der Lehrerkompetenz", die die Autonome Hochschule für die Erstausbildung entwickelt hat, den Unterrichtsbeobachtungsbogen der externen Evaluation und die Beurteilungsinstrumente der Schulinspektion. Selbst wenn die Dienste ihre Instrumente aufeinander abstimmen, mangelt es immer noch an einer übergreifenden Vision für die berufliche Weiterbildung und an allgemeingültigen Standards, die auch der Lehrerschaft transparent zur Kenntnis gebracht werden und als Leitfaden für ihre Entwicklung auf allen Ebenen und während ihrer gesamten Laufbahn dienen könnte. Die OECD empfiehlt neben der Erarbeitung einer solchen Weiterbildungsvision, - ich zitiere - „die Rolle der formalen Leistungsbeurteilungen von Lehrern zu stärken, um die Weiterbildung der Lehrer stärker an ihren individuellen Entwicklungsbedarf und die Anforderungen des Systems, der Schule und der Schüler anzupassen. Die Schulleiter sollten dies als Chance nutzen, um die Ziele und den Weiterbildungsbedarf zu besprechen und darauf zugeschnittene individuelle Weiterbildungspläne zu erstellen“ – Zitatende.
Die Herren Piller und Born empfehlen in diesem Zusammenhang in ihrem Anschlussbericht, „kritisch zu prüfen“, - ich zitiere – „ob sich die bis anhin übliche Verbeamtung von Lehrpersonen (Ernennung) mit einem formativen Beurteilungssystem tatsächlich wirksam verbinden lässt. Ebenso ist zu diskutieren, ob fest angestellten Lehrpersonen eine Weiterbildungspflicht auferlegt werden kann, und was zu tun wäre, wenn diese ihrer Pflicht nicht oder nur widerwillig und mit grossem innerem Widerstand nachkommen.“ Zitatende.
Diese wenigen Auszüge aus den verschiedenen Berichten, die im Rahmen der Diagnosephase zur Entwicklung einer Gesamtvision erstellt wurden, zeigen, wie komplex dieser Themenbereich ist, wie eng er mit anderen Aspekten verbunden ist und dass es eines übergeordneten Konzeptes bedarf, bevor einzelne Fragen beantwortet werden können.
Denn Fragen gibt es viele: Welche Kompetenzen sollen ausgebildete Lehrer in welchen Ämtern und zu welchen Zeitpunkten ihrer Laufbahn berufsbegleitend erwerben? Soll neben der bereits bestehenden allgemeinen Weiterbildungspflicht ein zeitlicher Umfang festgelegt werden? Sollen Weiterbildungen während oder außerhalb der Unterrichtszeit angeboten werden? Welche zeitlichen Ressourcen werden benötigt? Wie können Personalmitglieder besser zu den für sie passenden Angeboten orientiert werden? Welche Weiterbildungen sind besonders zielführend, welche sind es nicht, und wer kann das beurteilen - wissend, dass die Angebote im In- und Ausland vielseitig sind, die Qualität der Angebote nicht immer gut zu erfassen ist und der Bedarf in jeder Schule und bei jedem Personalmitglied ein anderer ist?
Die Frage der Vergütung wurde in diesem Zusammenhang natürlich auch schon hin und wieder gestellt. Sie wirft jedoch viele weitere Fragen auf, vor allem die Frage nach der Gerechtigkeit. Viele Personalmitglieder müssen eine Zusatzausbildung absolvieren, um Zugang zu einem spezifischen Amt zu erhalten, ohne dass damit eine finanzielle Aufwertung verbunden ist. Zahlreiche Personalmitglieder und Ämter sind hiervon betroffen und es ist schlicht unmöglich, hier nach Bedeutsamkeit oder Wichtigkeit der Tätigkeiten oder der Aus- und Weiterbildungen zu sortieren und dementsprechend differenziert zu besolden, ohne neue Ungerechtigkeiten zu generieren. Es würden unweigerlich Diskussionen auftauchen, ab wann es sich um eine qualitativ hochwertige oder systemrelevante Weiterbildung handelt. Die Diskussionen haben wir jetzt schon und sie sind weder zielführend noch der Zufriedenheit zuträglich. Vielmehr sollten sich in meinen Augen alle Personalmitglieder kontinuierlich weiterbilden, unabhängig davon, ob sie ernannt sind oder nicht. Ich bin selbstverständlich dazu bereit, im Rahmen der Erarbeitung einer Gesamtvision über die dafür notwendigen Gelingensbedingungen zu diskutieren und entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen.
Ich hoffe, ich konnte verdeutlichen, dass es mir wichtig ist, dass alle Maßnahmen gut durchdacht werden und die notwendige Flexibilität gegeben bleibt, die den individuellen Weiterbildungsbedarfen der Lehrer gerecht wird, ohne dass es zu Ungleichbehandlung zwischen Personalmitgliedern kommt. Es ist nicht fair, dass zurzeit Personalmitglieder umfangreiche Weiterbildungen absolvieren müssen und andere nicht. Die Antwort liegt aber meines Erachtens nicht in einer Vergütung von Weiterbildungen, die nur neue Ungerechtigkeiten herbeiführen würde, sondern - wie von den Experten empfohlen - in einer gut durchdachten Gestaltung der beruflichen Weiterbildung während der gesamten Laufbahn.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.