Mündliche Frage Nr. 1221
Widerspricht diese neue Maßnahme nicht dem eigentlichen Ziel der Regierung, den Betreuungsschlüssel in der Kleinkindbetreuung auf 4 Kinder pro Betreuer zu senken?
Die nachfolgend veröffentlichte Frage und die Antwort entsprechen den hinterlegten Originalfassungen. Die endgültige Version ist im Bulletin für Interpellationen und Fragen (BIF) veröffentlicht.
Frage von Andreas Jerusalem (Ecolo):
In Kürze soll aus dem Regionalzentrum für Kleinkindbetreuung (RZKB) eine paragemeinschaftliche Einrichtung werden. Bereits seit diesem Monat hat das RZKB die Beratung und Begleitung der selbstständigen (Co-)Tageseltern sowie der Tagesmütterhäuser von Kaleido übernommen. Sie, Frau Ministerin, haben nun bereits erste Anpassungen der entsprechenden Regeltexte auf den Weg gebracht.
Seit dem 1. Januar 2023 erhalten selbstständige Tageseltern einen höheren Zuschuss für Funktionskosten, wenn sie mehr als vier Kleinkinder gleichzeitig betreuen. Auch die Bezuschussung der Tagesmütterhäuser wurde angepasst, wenn mehr als zwölf Kleinkinder gleichzeitig betreut werden. So gewähren Sie den Zuschuss für Funktions- und Mietkosten für bis zu sechs Plätze, welcher bislang nur für vier Plätze galt. Das erzeugt im Bereich der selbstständigen Kleinkindbetreuung einen zusätzlichen Anreiz mehr Kinder aufzunehmen. Ein erster Anreiz bestand bislang natürlich auch bei den konventionierten Tagesmüttern- und vätern, da mehr Kinder auch mehr Gehalt bedeuten, was natürlich gut und sinnvoll ist. Parallel zu Ihrer Maßnahme strebt ihre Regierung allerdings einen Betreuungsschlüssel von 4 Kindern pro Betreuer an, um die Qualität der frühkindlichen Bildung zu verbessern. Diese Maßnahme solle im Zuge der Gründung der neuen parastatalen Einrichtung eintreten.
Daher unsere Fragen an Sie, werte Frau Ministerin:
1. Widerspricht diese neue Maßnahme nicht dem eigentlichen Ziel der Regierung, den Betreuungsschlüssel in der Kleinkindbetreuung auf 4 Kinder pro Betreuer zu senken?
2. Wie beabsichtigen Sie, den Tageseltern finanziell solide Arbeitsbedingungen zu ermöglichen, aber gleichzeitig eine qualitativ hochwertige Kinderbetreuung zu gewährleisten, bzw. diese sogar zu verbessern?
Antwort von Lydia Klinkenberg (ProDG), Ministerin für Unterricht, Ausbildung, Kinderbetreuung und Erwachsenenbildung:
Sehr geehrte Frau Vorsitzende,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
wie Sie sicher wissen, betreuen ca. 80 % der Tagesmütter heute schon mehr als vier Kinder. Die Ausnahmeregelung zur Erweiterung der Anzahl zu betreuender Kinder ist de facto längst keine Ausnahmeregelung mehr.
Es ist keinesfalls so, dass Tagesmütter verpflichtet sind, mehr als vier Kinder zu betreuen, dies geschieht aus finanziellen Erwägungen und um dem Bedarf an Kinderbetreuungsplätzen gerecht zu werden.
Ich habe seit meinem Amtsantritt zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um die Tätigkeit als Tagesmutter oder Tagesvater aufzuwerten. Gern zähle ich an dieser Stelle einige auf: die Einführung eines Funktionskostenschusses im Jahr 2021, die Erhöhung dieses Zuschusses im April 2022 sowie eine Ausweitung der Bezuschussung ab Januar 2023, die Einführung eines Zuschusses für verminderte Kostenbeteiligung für Familien mit geringem Einkommen, die Unterstützung durch technisches und pädagogisches Material (Laptops und Mehrlingskinderwagen), die Erhöhung des Zuschusses für Weiterbildungen, ein erhöhter Zuschuss für die Betreuung von Kindern mit einem besonderen Pflegebedarf sowie u.a. die Ausarbeitung eines umfassenden (kostenneutralen) Versicherungspakets für die selbstständigen Tagesmütter/-väter. Bei den konventionierten Tagesmüttern wurde die Aufwandsentschädigung seit 2019 stetig und sukzessive erhöht – von 20,82 Euro auf 27,60 Euro im Januar 2023 für eine Ganztagsbetreuung. Diese Aufwandentschädigung ist im Übrigen indexgebunden und steuerbefreit. Außerdem fördert die Regierung co-Initiativen von konventionierten Tagesmüttern durch die Übernahme der Mietkosten für die Betreuungsräumlichkeiten.
Der Erfolg dieser Maßnahmen ist messbar: Die Zahl der selbstständigen Tagesmütter hat sich im Zeitraum 2020-2022 verdreifacht. Wir zählen heute 35 selbstständige Tagesmütter/-väter. Dies hat somit zu einer wesentlichen Steigerung an Kinderbetreuungsplätzen beigetragen.
Auch die Zahl der konventionierten Tagesmüttern konnte im Jahr 2022 stabilisiert werden.
Und ein Deckungsgrad von 47 % im Jahr 2021 spricht Bände. Das ist der höchste Deckungsgrad, den die Deutschsprachige Gemeinschaft je gekannt hat.
Die Ausweitung des Zuschusses für die selbstständigen Tagesmütter/-väter für den fünften und gegebenenfalls den sechsten Platz ist nicht an eine Mindestauslastung von fünf Tagen die Woche gekoppelt. Diese Plätze müssen im Jahresdurchschnitt an zwei Tagen pro Woche durch Ganztagsbetreuungen belegt sein.
Der fünfte und sechste Betreuungsplatz wird auch nur bezuschusst, wenn der Tagesmutter oder dem Tagesvater die entsprechende Genehmigung für die Betreuung von mehr als vier Kinder gewährt wurde.
Die erweiterten Bezuschussungsmodalitäten sind – wie bereits erwähnt – ein weiterer Schritt hin zur Aufwertung der Tätigkeit als selbstständige Tagesmutter/-vater. Sie können nunmehr flexibler auf Elternanfragen und Bedarfe reagieren.
Und wer mehr Betreuungsplätze anbietet und damit bei der Deckung des Bedarfs an Kinderbetreuung mitwirkt, hat höhere Funktionskosten zu tragen. Dies berücksichtigt die neue Regelung.
Das RZKB bietet den Tagesmüttern/-vätern ein breitgefächertes Weiterbildungsportfolio an. Dies trägt dazu bei, die Qualität der Kinderbetreuung ständig und fortlaufend zu verbessern. Durch die Übernahme der Begleitung durch das RZKB steht den konventionierten und den selbstständigen Tagesmüttern/-vätern nun dasselbe Weiterbildungsangebot zur Verfügung.
Die Einführung des Vollstatuts für Tagesmütter wird den Tagesmüttern/-vätern die Möglichkeit bieten in ein Arbeitsverhältnis mit einem gesicherten und stabilen Gehalt und einer vollständigen sozialen Absicherung überzugehen.
Die Anzahl der zu betreuenden Kinder wird im Vollstatut keinen Einfluss auf das Einkommen der Tagesmütter haben, was aktuell im Teilstatut nicht der Fall ist.
Zuerst muss aber die neue Einrichtung öffentlichen Interesses geschaffen und das Vollstatut (als Arbeitnehmerstatut) eingeführt werden.
Die Option des Vollstatuts steht selbstverständlich auch den selbstständigen Tagesmüttern/-vätern offen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.