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Fragen und Antworten

Schriftliche Frage Nr. 288

21. November 2022 – Frage von J. Grommes an Herrn Minister Antoniadis zum Thema Energie in unseren Industrieparks

Gibt es aktuell in den Gewerbegebieten der Deutschsprachigen Gemeinschaft vergleichbare gemeinsame Energieprojekte?

Die nachfolgend veröffentlichte Frage und die Antwort entsprechen den hinterlegten Originalfassungen. Die endgültige Version ist im Bulletin für Interpellationen und Fragen (BIF) veröffentlicht. 
 
Frage von José Grommes (ProDG) vom 4. Oktober 2022:
 
Die 'Agence de Développement Local', kurz ADL, der Gemeinden Lontzen, Bleyberg und Welkenraedt, deren Vorsitz ich zurzeit innehabe, organisiert in regelmäßigen Abständen in den verschiedenen Betrieben des 'East Belgium Park' der Gemeinde Lontzen einen 'apéro des voisins' – ein Treffen unter Nachbarunternehmern. Diese Meetings dienen dazu, sich und seine Firma vorzustellen, mit den Kollegen auszutauschen und gemeinsam nach eventuellen Synergien zu suchen. Für uns als Politiker sind solche Treffen sehr interessant und nützlich. Aus erster Hand erhalten wir Informationen über Probleme und Sorgen unserer Firmenleitungen. 
Im Kontext steigender Energiepreise wird das Thema der gemeinsamen Energiegewinnung in einem Industriepark immer wieder angesprochen. Um im internationalen Vergleich zu China, Japan oder anderen Staaten konkurrenzfähig zu bleiben, brauchen wir neben Lösungen für die Herausforderung des Fachkräftemangels auch neue preisgünstigere Energiekonzepte. 
Bei der Auseinandersetzung mit diesem Thema stieß ich auf verschiedene Projekte in unseren angrenzenden Nachbarregionen. 
– Im 'Parc Industriel des Hauts-Sarts ' in Herstal haben sich acht Unternehmen in Zusammenarbeit mit der Stadt Herstal zusammengeschlossen, um sich in Zukunft ihren eigenen durch Photovoltaik-Anlagen produzierten Strom zu teilen. Der produzierte Strom soll zudem gespeichert werden, sodass man den herkömmlichen Strom aus dem öffentlichen Netz nur zu den Zeiten, in denen er am günstigsten ist, nutzen kann. Dafür sind eine gute Planung und Koordination des Verbrauchs und der Speicherung nötig. Hier hilft die Beteiligung der Université de Liège, der Université Catholique de Louvain und der HEPL (Haute École Polytechnique de la Province de Liege). Die Stadt Herstal hat die Straßenbeleuchtung an dieses Mikro-Netz angeschlossen. 
 
Die Unternehmen rechnen mit einer finanziellen Einsparung von 30 % – Herstal könnte sogar 70 % Kosten einsparen.
– Auch in Méry, in der Gemeinde Esneux, haben sich drei Unternehmen zusammengeschlossen, um den durch Photovoltaik und Hydraulik produzierten Strom zu teilen, speichern und in das öffentliche Netz einzuspeisen. Der Netzbetreiber Nethys ist ebenfalls mit an Bord. Umgesetzt wurde das Projekt bereits 2018. Hier ist ein EMS (Energy Management System) am Werk, welches an der Université de Liège entwickelt wurde. Das System analysiert die Verbraucherdaten der Partner und berechnet automatisch die optimale Nutzung des erzeugten Stromes und den Austausch mit dem öffentlichen Netz.
 
– Diese Projekte könnten sich in Zukunft multiplizieren, da die Wallonische Region 2019 dafür einen rechtlichen Rahmen geschaffen hat. Allerdings muss der Radius, in dem sich die beteiligten Partner befinden, noch genau definiert werden. 
 
– Vorteile: Unabhängigkeit und Umweltschutz. Außerdem kostet eine MWh in lokaler Herstellung den Verbraucher 200 € weniger als der zu aktuellen Marktpreisen gehandelte Strom. Diese Differenz kann somit zwischen dem Produzenten und den Verbrauchern aufgeteilt werden. 
 
– Das Prinzip sieht folgendermaßen aus: Unternehmen, die in der Nähe angesiedelt sind, beispielsweise in einem Industriegebiet, produzieren Strom durch Windkrafträder, Hydraulikpumpen oder Photovoltaik-Anlagen. Dabei kann die Infrastruktur einzelnen Unternehmen oder dem gesamten Zusammenschluss gemeinsam gehören. 
Die Unternehmen müssen untereinander eine Infrastruktur aufbauen, die es ermöglicht, den von den einzelnen Unternehmen verbrauchten Strom einzeln abzurechnen. 
Dieser Strom wird innerhalb des geschlossenen Netzes verbraucht, gespeichert oder in das öffentliche Netz eingespeist. 
Grundvoraussetzungen sind eine gute Planung und, wie beispielsweise in Méry, ein autonomes System, das den Stromfluss managt und entscheidet, ob in das öffentliche Netz eingespeist oder Strom aus dem öffentlichen Netz verbraucht wird. 
– Solche Strukturen wird es in Zukunft vermehrt geben. Der rechtliche Rahmen wurde geschaffen und mit der Politik der Europäischen Union, dem 'Clean energy for all Europeans package' abgestimmt. Ziel ist es, alternative Formen der grünen Stromgewinnung und -verteilung zu schaffen. 
 
„Dans ce cadre, deux directives européennes sont en cours de transposition. Il s'agit, plus particulièrement, de la directive "marché" 2019/944 et de la directive "renouvelable" 2018/2001, introduisant de nouveaux concepts dont notamment la possibilité de développer de nouvelles formes de partage d'énergie, que ce soit en participant à une communauté d'énergie citoyenne (CEC) ou renouvelable (CER), ou en autoconsommant de l'énergie renouvelable produite collectivement au sein d'un même bâtiment (autoconsommation collective). 
Ce mercredi 16 décembre, le Gouvernement wallon a avancé dans la transposition de ces directives en adoptant, en 1 ère lecture, un avant-projet de décret visant à encadrer ces nouveaux acteurs. 
Rappelons que le principe des CER avait déjà été transposé en droit wallon par le décret du 2 mai 2019. Ce régime n'est cependant jamais entré en application puisque sa mise en oeuvre nécessitait au préalable l'adoption de mesures d'exécution par le Gouvernement wallon. Ce cadre est cependant en cours de révision afin, notamment, de tenir compte des nouveaux droits et obligations issus des directives 2018/2001 et 2019/944.“
– Die Wallonische Region nennt dieses System die 'Communautés d’énergie renouvelables'.
 
– Auch in der Region Brüssel ist dies möglich: Es gibt sogenannte 'Facilitateurs', die die Privatpersonen und Unternehmen in ihrem Projekt begleiten. Diese Dienstleistungen sind für die Nutznießer kostenlos und werden von der Region bezahlt. 
 
In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen, sehr geehrter Herr Minister, folgende Fragen stellen:
• Gibt es aktuell in den Gewerbegebieten der Deutschsprachigen Gemeinschaft vergleichbare gemeinsame Energieprojekte?
• Besteht in der Deutschsprachigen Gemeinschaft der erforderliche rechtliche Rahmen, der es Unternehmen ermöglichen würde, Pilotprojekte hinsichtlich eines gemeinsamen Energiemanagements zu entwickeln?
• Verfügt die Deutschsprachige Gemeinschaft über kompetentes Fachpersonal, um ähnliche Projekte zu begleiten und zu unterstützen?
• Besteht die Möglichkeit, dass größere Betriebe ihre Dachflächen Nachbarunternehmen zur Aufstellung von Photovoltaikpaneelen vermieten?
• Besteht in der DG die Möglichkeit, dass Unternehmen eines Industrieparks im Zusammenschluss ein Windrad auf dem Gebiet dieses Parks aufbauen und gemeinsam betreiben?
 
 
Antwort von Antonios Antoniadis (SP), Minister für Gesundheit und Soziales:
 
Zurzeit sind mir keine durchgeführten Projekte von solchen „Energiegemeinschaften“ in der DG bekannt. Ich kann aber mitteilen, dass sich einige Unternehmen aus der DG bei der Regierung über solche Kooperationsmöglichkeiten im Rahmen einer Energiegemeinschaft erkundigt haben. 
Der rechtliche Rahmen, der in der Wallonischen Region rechtskräftig ist und solche Pilotprojekte regelt, gilt ebenfalls für Unternehmen auf dem Gebiet deutscher Sprache. Diese Tatsache lässt sich anhand der zuständigen Kompetenzen für den Bereich Energie einfach erklären. Die Zuständigkeit für Energieangelegenheiten bzgl. industriellen und kommerziellen Betrieben wurde nicht an die DG übertragen. Dementsprechend gelten die Regeln der Wallonischen Region weiterhin. Daher können sich die hiesigen Unternehmen, falls sie ähnliche Energieprojekte umsetzen möchten, unstrittig auf die wallonische Gesetzgebung stützen. 
Da die DG für den betreffenden Bereich nicht zuständig ist, benötigen wir somit kein Fachpersonal, um diese Projekte zu begleiten. Wie Sie schon in ihrer Frage erwähnt haben, Herr Grommes, gibt es beispielsweise sogenannte „Facilitateurs“ in der Region Brüssel. Ich kann Ihnen aber bestätigen, dass solche Experten und Begleiter auch von der Wallonischen Region für industrielle und selbstständige Unternehmen zur Verfügung gestellt worden sind. Daher können Unternehmer aus der DG ebenfalls diese fachmännischen Berater kostenlos kontaktieren, um die eigene Energiegewinnung zu analysieren. 
 
Was die Möglichkeit einer Vermietung von Dachflächen an Nachbarunternehmen zur Aufstellung von Photovoltaikanlagen betrifft, handelt es sich hierbei um eine privatrechtliche Frage. Ich kann lediglich vermuten, dass zwei Unternehmer einen rechtlich verbindlichen Mietvertrag miteinander abschließen könnten, um eine Dachfläche für das Anbringen einer Photovoltaikanlage in Besitz des benachbarten Unternehmens zu ermöglichen. 
 
Zuletzt, was das gemeinsame Errichten und Betreiben eines Windrades betrifft, möchte ich klarstellen, dass die Identität eines jeglichen Trägers, Verantwortlichen und/oder Nutzers des durch das Windrad erzeugte Energie bei der raumordnerischen Entscheidung keine wesentliche Rolle spielt. Die aktuelle Gesetzgebung (spezifisch laut Artikel D.II.28) ermöglicht grundsätzlich das Errichten von einer oder mehreren Windkraftanlagen in einem Gewerbegebiet, insofern sie die Entwicklung des bestehenden Gebiets nicht beeinträchtigen. 
 
Es ist somit raumordnerisch nicht ausschlaggebend, wer der Antragsteller sein soll, um das Windrad konform zum Sektorenplan zu errichten. Jedoch muss die Bedingung „insofern sie die Entwicklung des bestehenden Gebiets nicht beeinträchtigen“ so verstanden werden, 
dass ein Windrad nicht dazu führen darf, dass aufgrund der einzuhaltenden Abstandsflächen ein beträchtlicher Teil der Gewerbezone nicht mehr bebaut werden könnte oder Betriebe wegen des Windrads ihre Tätigkeit nicht mehr ausführen könnten. Hier sei besonders an die Lagerung von explosionsfähigem Material gedacht, welche z.B. durch Eiswurf oder abstürzende Teile eine vorher nicht dagewesene Gefahr erzeugen würden. 
 
Daneben sind aber, wie an jedem anderen Standort auch, auch in einem Gewerbegebiet vor allem die erzeugten Umwelteinflüsse durch ein Windrad ausschlaggebend. Umso mehr, da es sich bei Anträgen für Windräder um Globalgenehmigungen handelt, bei denen die Wallonische Region gemeinsam mit der Deutschsprachigen Gemeinschaft entscheidet. 
 
Im Grunde genommen ist es also gesetzlich möglich, dass sich Unternehmen eines Industrieparks zusammenschließen, um ein Windrad auf dem Gebiet des Parks zu beantragen und zu errichten. Für die gemeinsame Betreibung müssen die Unternehmen unter sich zu einer Einigung kommen: entweder privat oder im Rahmen einer Energiegemeinschaft, sollte der gewonnene Strom jemals in das öffentliche Netz eingespeist werden.
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