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    Veranstaltung

    „Durch die Gasse der Vorurteile muss die Wahrheit ständig Spießruten laufen“

    18. Mai 2016 - Rund 80 Zuhörer waren in den Plenarsaal gekommen, um Projekte zur Integration und zur Förderung des Zusammenlebens zwischen Einheimischen und Flüchtlingen kennen zu lernen.

    „Durch die Gasse der Vorurteile muss die Wahrheit ständig Spießruten laufen“

    Beim Themenabend „Herausforderung Integration – für mehr Begegnung in Ostbelgien“, stellten Bürgerinnen und Bürger ihre Initiativen zur Integration vor. Das Programm war vollgepackt mit Informationen und Anregungen.

    Parlamentspräsident Karl-Heinz Lambertz begrüßte die Gäste und zeigte sich positiv überrascht über das Interesse zum Thema. Spontan hätten sich zur Veranstaltung Personen gemeldet, die ebenfalls einen Beitrag geleistet hätten.  So zeige das Parlament die Skulptur einer jungen Schülerin aus Hennef, Johanna Koch, die in durch ihre Klassenarbeit auf die Flüchtlingskrise aufmerksam mache. Und auch auf schriftlichem Weg hätten sich Menschen gemeldet, um ihre Solidarität zu bekunden. Integration sei wichtig und das Aufräumen mit Vorurteilen umso mehr. „Durch die Gasse der Vorurteile muss die Wahrheit ständig Spießruten laufen“, zitierte er Indira Gandhi. Erschreckend sei es festzustellen, dass Europa in seiner Festigkeit wanke. Es gelte, die Zerreißprobe zu meistern und nach gemeinsamen europäischen Lösungen zu suchen. Auch der Papst habe bei der Verleihung des Karlspreises vor einigen Tagen mit den Worten „Was ist mit dir los, Europa?“ an die Fähigkeit zur Integration und zum Dialog appelliert.

    Koenraad de Wolf

    Koenraad De Wolf ist belgischer Schriftsteller, Journalist und Publizist. Die Konfrontation mit dem für ihn schockierenden Umgang mit Flüchtlingen habe ihn dazu bewogen, eine Novelle zu schreiben, so de Wolf. In bewegenden Worten erläuterte er dem Publikum, dass er mit der Novelle ein Zeichen setzen wolle gegen die Egoismen der westlichen Wertegesellschaft und gegen die augenblickliche, menschenverachtende Regierungspolitik. Mehr Solidarität nannte er die Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Die Novelle „Das Projekt Utopia“ ist auch in deutscher Sprache erschienen und kann über Koenraad de Wolf bezogen werden (http://www.koenraaddewolf.be/).

    Aufgewachsen im Süddeutschland der Nachkriegszeit studierte Johannes Wickert Freie Malerei an den Hochschulen Stuttgart, Nürnberg und Florenz. Seine Kunst wird vor allem bereichert durch die pädagogische und wissenschaftliche Tätigkeit als Universitätsprofessor für Psychologie. Wickerts Werke werden seit drei Jahrzehnten im In- und Ausland ausgestellt. Professor Johannes Wickert wohnt heute in Leykaul bei Bütgenbach und engagiert sich gemeinsam mit seiner Gattin Nicola Wickert für Flüchtlinge. Für sie organisiert er in Manderfeld und Elsenborn Malateliers. Fast philosophisch war sein Vortrag und gebannt folgte die Zuhörerschar seinen Auslegungen zu gelungener Integration. „Nur wer bei sich ist, kann anderen helfen“, betonte Wickert.

    Auch Gattin Nicola Wickert berichtete über ihre ehrenamtliche Tätigkeit im Zentrum Elsenborn und meldete weiteren Bedarf an Helfern und Ehrenamtlichen an.

    A. AbuJarad, N. Wickert, J. Wickert 

    Beachtlich war die Ansprache von Ahmed AbuJarad. Der aus dem Gaza-Streifen stammende Palästinenser betonte den Wunsch vieler Flüchtlinge, friedvoll und in Einklang mit der Kultur des Gastgeberlandes leben zu wollen. Die Unterbringung in Elsenborn, fernab und isoliert, trage nicht zum guten Gelingen der Integration bei.

    Integration wird mehr und mehr auch Thema im Unterricht und dies nicht nur, weil es mittlerweile in mehreren Schulen Unterricht für Flüchtlingskinder gibt. Silke Neuens und Werner Margraff, Ehrenamtliche beim Roten Kreuz Bütgenbach, bieten ihr Projekt an und stellten es vor. Zu Wort kamen dabei auch die Flüchtlinge, die mit den beiden in die Schulklassen gehen und von ihren Schicksalen erzählen.

    Nathalie Peters ist für Info Integration tätig und wusste vieles über kleine und größere Projekte zu berichten. Sie stelle die Kampagne Begegnungsorte vor, an der sich auch das Parlament mit dem Abend beteiligte. Und bei „Meat and Eat“ geht es um gemeinsame Essen, um so in ungezwungener Weise den Kontakt leichter herzustellen. Jeder kann mitmachen.

    S. Neuens, W. Margraff, N. Peters, Y. Haep

     

    In Eupen entstand vor acht Jahren das Patenschaftsprojekt „Hand in Hand“. Ziel ist,  zugezogenen Mitbürgern die Orientierung und Integration zu erleichtern und gleichzeitig Begegnung zwischen Menschen unterschiedlicher Kulturen zu schaffen. Yvonn Haep berichtete über ihre Erfahrungen als Patin, über anfängliche Ängste und den mittlerweile freundschaftlichen Umgang mit ihren Schützlingen.

     

    Im Plenarsaal war neben den von Professor Wickert ausgestellten Bildern auch eine Skulptur der 16-jährigen Johanna Koch aus Hennef zu sehen - eine Klassenarbeit mit dem Namen „Die Suche der Flüchtlinge nach einer neuen Heimat“.

    Skulptur im Vordergrund und Malatelier

    Dazu schreibt Johanna Koch: „Die Idee meines Themas kam mir, als ich auf dem Speicher meiner Oma eine alte Reisekiste aus dem 18. Jahrhundert fand. In diese wollte ich eine Bank bauen und habe mir überlegt, wie man dieses Projekt mit einem aktuellen Thema verbinden kann. Da meine Mutter bei uns im Dorf ehrenamtlich Flüchtlingshilfe leistet, bekomme ich viele Geschichten und Ereignisse über die Flüchtlinge mit. Ich bin der Ansicht, dass diese weitererzählt und die Probleme der Flüchtlinge, sich in unserer Gesellschaft niederzulassen und sich zu Hause zu fühlen, offenbart werden müssen. Um das Thema noch mehr in mein Projekt zu integrieren, habe ich zusätzlich zu der Bank in der Kiste noch eine Pappmaché-Figur entworfen, welche für die Flüchtlinge stehen soll. Die Probleme der Flüchtlinge habe ich mit Hilfe von Fotos, Flaggen der Länder, aus denen die meisten Flüchtlinge kommen, Zeitungsausschnitten, Nägeln, Stachel- und NATO-Draht verdeutlicht.“

     

    Das Schlusswort hatte Minister Antonios Antoniadis. Auch er bedankte sich bei den Teilnehmern für ihren Einsatz. Integration sei nicht leicht, betonte der Minister, und auch die Regierung fördere Projekte für eine gelungene Integration, beispielsweise Sprachkurse. An dem angekündigten Integrationsparcours werde gearbeitet, zeigte sich der Minister optimistisch.

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